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Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Autoren: Gwen Bristow
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Unwillkürlich stöhnte sie leise.
    »Bewege dich nicht, Mutter, es wird bald wieder besser werden«, sagte David.
    Sie sah sich um. Es war früh am Morgen, und sie lag in ihrem eigenen Zimmer. Auf den Bettüchern entdeckte sie große Blutflecken. David und Philip waren neben ihrem Lager, und Emily beugte sich über sie und strich mit einem Tuch, das sie in kaltes Wasser getaucht hatte, über ihre Stirn.
    »Sind die Kinder in Sicherheit?« fragte Judith.
    »Ja, Liebste«, erwiderte Philip sanft und legte seine Hand auf die ihre. »Aber sprich lieber noch nicht!«
    Er saß auf der Kante des Bettes. Judith wandte plötzlich den Kopf von ihm ab und legte den Arm über die Augen. Sie erinnerte sich daran, daß sie seinen Sohn getötet und noch einmal rachsüchtig auf Benny geschossen hatte, als er schon sterbend am Boden lag. Wieder stöhnte sie.
    »Sie muß furchtbare Schmerzen haben, David«, sagte Emily. »Meinst du nicht, wir sollten ihr ein Schlafmittel geben?«
    »Nein, noch nicht.« David kniete neben dem Bett nieder. »Mutter, bitte versuche es auszuhalten. Du warst schon so tapfer, und wir sind alle so stolz auf dich!«
    »Ach, kannst du nicht ruhig sein!« stöhnte Judith.
    Ihre Gedanken verwirrten sich wieder, und sie sah ihre Angehörigen nur wie durch einen Schleier, denn wilder Schmerz und heftiges Fieber quälten sie. Aber am nächsten Tag war ihr Kopf klarer. Von Emily wurde sie mit hingebender Dankbarkeit gepflegt, und David wollte kaum ihr Zimmer verlassen. Sie sagten immer wieder, daß nur ihrem Mut die Rettung des Hauses und der Kinder zu verdanken sei, denn sie habe die aufständischen Sklaven zurückgehalten, bis die Aufseher- und die treuen Neger zur Abwehr herbeieilten. Nachdem sie Benny erschossen hatte, waren seine Anhänger von sinnloser Panik gepackt worden.
    Lange bevor sie so weit hergestellt war, um Besuch zu empfangen, kamen ihre anderen Kinder und ihre Freundinnen, um ihr zu gratulieren. Überall sprach man von ihrer Tapferkeit. Wieweit die Geschichte durch die Erzählung von Mund zu Mund aufgebauscht wurde, wußte Judith nicht, aber sie war jedenfalls zur Heldin geworden. Sie sagten ihr, daß der Schaden nicht groß gewesen sei – nur ein paar Neger waren erschossen und einige Aufseher verwundet worden. Die Neger hatten auch einige Baumwollfelder beschädigt, als sie durchgeritten waren. Aber nun saßen die Anführer im Wachthaus, und die anderen schämten sich und bereuten ihre Tat. Der Aufstand war nur auf Benny zurückzuführen, der die Schwarzen mit seinen dauernden Reden für eine Weile aufgewiegelt und verrückt gemacht hatte. Aber sie hatte Benny erschossen, obwohl sie jetzt in einem Alter stand, in dem eine Dame nicht mehr zu tun haben sollte, als sich um ihren Haushalt zu kümmern und sich von ihren Kindern und Enkeln betreuen zu lassen.
    Erbittert hörte Judith zu. Manchmal wurde es ihr zuviel, so daß sie es nicht länger ertragen konnte. Dann bat sie die anderen, sie möchten doch aufhören zu reden und sie allein lassen. Das legte man jedoch nur als unglaubliche Bescheidenheit aus.
    Aber sie lag wach und dachte stundenlang nach, während Emily mit einem Strickzeug neben ihrem Bett saß und glaubte, sie schliefe. Judith versuchte sich klarzumachen, was an jenem Abend über sie gekommen war und ihr alle Überlegung und Selbstbeherrschung geraubt hatte, die sie ihrer Meinung nach während ihres Lebens erlangt hatte. War es wirklich notwendig gewesen, Benny zu töten? Ja. Hätte sie ihn nicht niedergeschossen, so hätte es ein anderer getan. Aber während sie ruhig lag, dachte sie wieder und wieder darüber nach, ob sie ihn erschossen hatte, um Davids Kinder zu retten oder weil sie ihn haßte. Sie wußte es nicht. Bis zum letzten Tage ihres Lebens wurde sie sich darüber nicht klar. Aber das Gefühl, eine schmachvolle Tat getan zu haben, drückte sie tiefer nieder als aller Schmerz und Kummer, den sie je erfahren hatte.
    In den ersten Tagen war dieses Gefühl so stark, daß sie sich nicht dazu aufraffen konnte, nach Philip zu fragen. Er war an ihrem Lager gewesen, als sie zum erstenmal das Bewußtsein wiedererlangt hatte, aber seitdem ferngeblieben. Schließlich konnte sie es nicht länger ertragen und fragte David, warum Philip nicht zu ihr käme.
    »Vater fühlt sich nicht ganz wohl«, erwiderte David. Es schien ihr, daß er einen Augenblick gezögert hätte, bevor er die Antwort gab. »Er hat sich neulich abends im Palais des Gouverneurs erkältet. Wir hätten ihn niemals
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