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Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Autoren: Gwen Bristow
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mitreiten lassen sollen – bei seinem Alter.«
    »Seid ihr denn nun wenigstens den Gouverneur losgeworden?« fragte Judith, nur um irgend etwas zu sagen.
    »O ja. Er kehrt nach Spanien zurück. Wir werden als ein Teil von Louisiana zu den Vereinigten Staaten gehören.« Er beugte sich über sie. »Mache dir keine Sorgen um den Vater!«
    »Schon gut«, entgegnete sie. Aber sie dachte: Eine Erkältung. Eine kleine Erkältung ist Grund genug für ihn, um nicht zu mir zu kommen. Dadurch gibt er es mir zu verstehen. Er allein von allen weiß, daß ich kein Mitleid fühle und nicht verzeihen kann.
    Judith hatte die anderen gebeten, sie in der nächsten Nacht allein zu lassen. Sie war jetzt frei von Fieber und konnte besser und ruhiger schlafen, wenn niemand an ihrem Lager wachte. Aber nachdem die anderen zu Bett gegangen waren, lag sie noch wach. Wenn es ihr möglich gewesen wäre, hätte sie Philip aufgesucht, aber ihr Bein war geschient. Sie dachte daran, daß sie und Philip sechsunddreißig Jahre lang in Liebe miteinander verbunden gewesen waren. Und jetzt würde er ihr nicht verzeihen, weil er wußte, daß sie ihm im geheimen doch nicht vergeben hatte.
    Ach, er hätte wirklich freundlicher sein sollen, dachte sie, während sie still im Dunkeln weinte. Er hätte wissen müssen, daß man manchmal seiner Leidenschaft so hilflos ausgeliefert war wie einem übermächtigen Feind. Sie erinnerte sich daran, daß dieser letzte Schuß nicht notwendig gewesen war. Aber in jenem Augenblick hatte sie nicht anders handeln können. Philip hätte das verstehen sollen.
    Plötzlich hörte sie, daß die Klinke an der Tür heruntergedrückt wurde, und fuhr ärgerlich zusammen. Diese ewige Fürsorge! Warum mußten sie auch noch mitten in der Nacht in ihr Zimmer schleichen?
    »Judith?« fragte jemand leise.
    Es war Philip, aber seine Stimme klang sonderbar.
    Sie richtete sich auf. »Philip? Philip!«
    Beim Schein des Nachtlichtes sah sie, daß er die Tür zumachte. Er trug einen Schlafrock und hatte einen wollenen Schal um den Hals gebunden. Langsam kam er näher, kniete neben dem Bett nieder und schloß sie in die Arme. Sie empfand so tiefe Dankbarkeit, daß sie zuerst nicht merkte, wie heiß sein Gesicht war.
    »Philip, du bist krank! Du glühst vor Fieber!« rief sie plötzlich.
    »Ja, ich weiß es«, sagte er leise. »Die Kinder hüten mich ja so sehr, daß ich mich nicht rühren kann. Ich mußte heimlich zu dir schleichen, als ob ich ein Gefangener wäre. Hoffentlich habe ich dich nicht aufgeweckt.«
    »Nein, ich habe nicht geschlafen. Aber du bist wirklich schwerkrank!« Sie schluchzte.
    Er fühlte ihre Tränen. »Aber, liebe Judith, haben sie dir denn nicht gesagt, daß ich krank bin? Ich glaube sogar, daß ich in Fieberphantasien lag. Aber wie geht es dir?«
    »Ach, mir geht es wieder gut. Ich habe ja nur die Verwundung am Knie. Aber du hättest nicht aus dem Bett aufstehen sollen, Philip. Komm, leg dich her, ich werde dich gut zudecken.«
    Er richtete sich auf, aber er mußte sich dabei auf den Bettpfosten stützen. Seine Bewegungen waren unsicher, und er fiel beinahe auf das Lager. Judith rückte trotz ihrer Schmerzen beiseite, um ihm Platz zu machen. Er schloß sie in die Arme, aber sie fühlte, wie schwach er war.
    »Kannst du so einschlafen?« fragte sie.
    »Nein. Ich möchte mit dir sprechen. Ich ließ dich am ersten Tag allein, bevor mich das Fieber packte und hilflos machte. Das tut mir leid. Ich kann offenbar nicht die rechten Worte finden, um es auszudrücken. Aber es tut mir sehr leid.«
    »Du vergibst mir also, daß ich ihn erschossen habe?« fragte sie leise.
    »Es blieb ja wohl nichts anderes übrig?«
    »Nein – aber haben sie dir gesagt, daß ich noch einmal auf ihn feuerte, als er sterbend am Boden lag?«
    »Ja, das weiß ich.«
    »Und du vergibst mir auch das?«
    »Zuerst vergab ich dir nicht.« Seine Stimme klang sehr schwach, und die Worte waren kaum zu verstehen. »Es ist schon gut. Das ist jetzt alles nicht mehr wichtig.«
    Sie zog seinen Kopf an ihre Schulter und bat ihn, nicht mehr zu sprechen. Ruhig lag er neben ihr. Ein wunderbarer Friede kam über sie. Einen Menschen gab es auf der Welt, der ihre innersten Sünden und Geheimnisse kannte und sie trotzdem liebte.
    Plötzlich richtete sie sich so jäh auf, daß ihr Knie heftig schmerzte.
    »Philip!« rief sie. »Philip!«
    Als er nicht antwortete, tastete sie über seine Hände, sein Gesicht, seinen Körper. Sie waren nicht kalt, aber nicht so heiß wie
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