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Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Autoren: Gwen Bristow
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vorher. Wieder rief sie ihn an und schüttelte ihn, aber er antwortete nicht. Schließlich hörte sie David an der Tür.
    »Mutter, was hast du?« fragte er, als er eintrat. »Ist der Vater bei dir? Wie kommt es denn, daß er sein Zimmer verlassen hat?«
    Er rief Emily herein, dann kniete er neben Philip nieder.
    Judith rückte entsetzt von ihm ab. Sie konnte kein Wort über die Lippen bringen. Erst als David den Kopf hob und sie ansah, fragte sie: »Ist er – tot?«
    David nickte. Dann bedeckte er plötzlich das Gesicht mit den Händen und ließ den Kopf auf die Steppdecke sinken wie ein Kind. Judith beobachtete ihn. Sie war zu erschüttert, als daß sie mit ihm sprechen oder ihn berühren konnte. Dann sank sie zurück, faßte das Kissen mit beiden Armen und vergrub ihr Gesicht darin.
    Nach einer langen Weile sagte Emily: »Der Schmerz ist zu groß für deine Mutter, David. Er bringt sie um. Wir – wir hätten ihr vielleicht doch sagen sollen, daß der Vater im Sterben lag.«
    Judith fühlte, daß er den Arm um sie legte. Sie ließ es geschehen und weinte an seiner Brust, aber die Tränen trösteten und beruhigten sie nicht. Sie fühlte nichts als eine furchtbare Leere. Jahrelang würde sie diese Leere nun ertragen müssen. Als alte Frau würde sie in einer jungen Welt leben und keinen Menschen mehr haben, der sie ganz verstand.
    Auf der Veranda wurde Philip feierlich aufgebahrt. Judith ließ sich auf einem Diwan hinaustragen, als die Leute von Ardeith kamen, um den Toten zum letztenmal zu ehren.
    Sie versammelten sich um das Haus. Einige von ihnen standen reglos mit gesenktem Kopf, einige klagten oder sangen sonderbare geistliche Lieder, in denen sich Religion, Wudukult und Totenklage mischten.
    Judiths Kinder und Enkel standen in einer Gruppe hinter ihr. Sie bemühten sich sehr um sie. Der kleine Sebastian hielt eine Flasche mit duftendem Wasser, womit er ein Taschentuch anfeuchtete. Dann reichte er es ihr, damit sie ihre Tränen trocknen konnte. Sie dankte ihm dafür, aber sie vergoß keine Träne mehr. Nur der eine Gedanke beherrschte sie: Diese Feier war ein weiterer Schritt auf dem Weg in die Einsamkeit.
    Worte formten sich in ihrem Geist. »Philip war ihr Herr. Er war ihr Vater. Natürlich liebten sie ihn. Aber er war mein Mann. Wir beide gehörten zusammen. Verstehen sie das nicht? Können sie sich nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn man sechsunddreißig Jahre zusammengelebt hat und dann plötzlich für immer auseinandergerissen wird? Ach, Philip, Philip!«
    David trat vor und läutete die Glocke. Tiefes Schweigen herrschte, als er dann zu reden begann.
    »Hört zu, bevor ihr die Stufen heraufsteigt. Niemand soll um die Zukunft besorgt sein, weder unsere Leute noch die Aufseher. Niemand soll entlassen oder verkauft werden. Die Arbeit auf der Ardeith-Plantage soll weitergeführt werden, als ob der alte Herr noch unter uns wäre. Und nun kommt bitte herauf – einer nach dem anderen.«
    Er ging zurück und trat neben die Bahre. Zuerst stiegen die Aufseher mit ihren Frauen und Kindern die Stufen hinauf. Sie trugen schwarze Kleider und hielten die Hüte in den Händen. An dem Diwan, auf dem Judith lag, blieben sie stehen.
    »Wir drücken Ihnen unser tiefstes Beileid aus, Madame.«
    »Eins dürfen Sie glauben, Mrs. Larne. Wir waren sehr stolz, daß wir für ihn arbeiten konnten.«
    »Ich danke Ihnen.«
    Einzeln gingen sie dann an dem Sarge vorbei.
    Der Oberaufseher trat zu David und reichte ihm die Hand.
    »Und Ihnen versprechen wir, daß wir alles, was wir für ihn getan haben, auch für Sie tun werden.«
    Sie schüttelten sich die Hände. »Davon bin ich überzeugt«, erwiderte David. »Ich danke Ihnen sehr.«
    »Sie wissen, daß es eine kleine Unruhe unter den Negern gegeben hat – aber das wird nicht wieder vorkommen. Sie sind alle sehr traurig darüber. Dieser weiße Nigger hat den ganzen Aufstand verschuldet.«
    »Ja, das verstehe ich. Ich habe auch niemals an Ihrer Treue gezweifelt.«
    Dann kamen die Neger. Zuerst gingen auch sie an Judith vorbei. Die Männer setzten einen Fuß hinter den anderen, hielten den Hut in beiden Händen und machten eine tiefe Verbeugung. Die Frauen und Kinder knicksten tief.
    »Miß Judith, wir sein schrecklich traurig, Mäm.«
    »Es war ein guter Mann, alte Massa.«
    »Wir Nigger immer Gott dem Herrn danken, daß wir Massa gehören.«
    »Er sein jetzt aufgestiegen in glorreichen Himmel und sitzen auf goldenen Thron.«
    »Ich wetten, große Jubel in Himmel, wenn er
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