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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition)
Autoren: Lost Place Vienna
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um
Valentinas Mutter zu heiraten. Manchmal glaubte Valentina, Don Bernardo, wie er
sich selbstironisch genannt hatte, sei nicht wegen ihrer Mutter, sondern allein
zu ihrer Erziehung zu ihnen gestoßen. Er war ein sonderbarer Mensch gewesen.
Ein unfassbares Chamäleon. Mit Leichtigkeit hatte er das Musikgeschäft geführt.
Er unterrichtete beinahe alle Instrumente und erteilte Nachhilfeunterricht in
Mathematik in der jeweiligen Muttersprache seiner Schüler. Geld verlangte er
kaum. Er glaubte noch immer an den Gottessohn, dem er sich bereits als junger
Mann verschrieben hatte, wusste die Bibel aber pragmatisch zu handhaben. Und er
war es gewesen, der Valentina in den Exerzitien des Ignatius von Loyola unterwiesen
und sie mit den Sentenzen des Balthasar Gracián vertraut gemacht hatte.
    Sie wanderte ihr Bücherregal ab, das die gesamten sechs Meter ihres
Flurs einnahm und mit Büchern und Folianten bis unter die Decke des Altbaus
bestückt war. An seinem Stammplatz stand das kleine Büchlein, die Fibel, aus
der sie täglich zu rezitieren und zu reflektieren hatte.
    Sie setzte sich mit dem Büchlein in einen alten Sessel, den sie mit
einem hellblauen Überwurf bedeckt hatte, damit man das zerschlissene Leder
nicht sah, und blätterte. Die Fibel war voll mit Anmerkungen Don Bernardos und
ihren eigenen Gedanken. Sie liebte die kraftvolle Übersetzung Schopenhauers und
lachte bei dem Gedanken, ob dieser Denker wohl auch Metal gerockt hätte, wenn
es zu seiner Zeit Marshall-Verstärker gegeben hätte.
    Sie las laut, damit die Worte den Raum griffen und von außen wieder
mit neuer Frische ans Ohr drangen. So konnten sie vom Hirn aufgenommen werden,
als wäre es nie zuvor gedacht worden.
    »Sich anzupassen verstehen. Nicht allen soll man auf gleiche Weise
seinen Verstand zeigen und nie mehr Kraft verwenden als gerade nötig. Nichts
werde verschleudert, weder vom Wissen noch vom Leisten. Der gescheite Falkonier
lässt nicht mehr Vögel steigen, als die Jagd erfordert. Man lege nicht immer alles
zur Schau aus, sonst wird es morgen keiner mehr bewundern. Immer habe man etwas
Neues, damit zu glänzen; denn wer jeden Tag mehr aufdeckt, unterhält die
Erwartung, und nie werden Grenzen seiner großen Fähigkeiten aufgefunden.«
    Valentina ließ es in sich nachklingen und las erneut. Gedanke für
Gedanke, Satz für Satz. Sie achtete nicht auf die Notizen und Anmerkungen am
Rand, sondern spitzte einen Bleistift, mit dem sie neue Gedanken auf den dicht
beschriebenen, noch freien Platz kritzelte, den ihr der Setzer für solche
Zwecke zugestand.
    Dann legte sie Stift und Buch beiseite, kippte den Hebel des
Verstärkers an, setzte sich den Kopfhörer auf, griff die neue hellblaue Strat,
mischte die Gedanken Graciáns mit den Powerchords von AC / DC und lächelte dankbar bei dem Gedanken an Don
Bernardo.

ZWEI
    Auf dem Bildschirm hob eine attraktive junge Frau mit
schwarzen Locken und dunklen mandelförmigen Augen ein Foto in die Höhe. Sie
schwieg dabei, ließ nur das Foto in ihrer Hand wirken. Das Foto zeigte den Kopf
einer Frau, der so geschminkt war, als würde die Schöne gleich über den roten
Teppich einer Filmpremiere stolzieren. Hübsch wie eine Wachsfigur, aber leblos.
    Die Frau, die das Foto in die Höhe hielt, war ebenso geschmackvoll
geschminkt, aber sie wirkte bei Weitem lebendiger. Valentina Fleischhackers
Augen reflektierten die Scheinwerfer des Studios und schimmerten im Glanz
absoluter Wachheit. Sie legte das Foto stumm auf das Pult vor sich und streckte
dafür ein anderes in die Kamera. Diesmal hielt sie es so, dass ihr eigener Kopf
hinter dem Foto verschwand. Auch auf diesem Bild war ein geschminkter, lebloser
Frauenkopf zu sehen. Kommentarlos legte Valentina Fleischhacker das Foto auf
das andere, atmete kurz durch und begann dann zu sprechen.
    »Drei Frauenköpfe, drei Tote. Und wir kennen ihre Namen nicht. Sie
können uns helfen, wenn Sie diese Frauen gekannt haben. Melden Sie sich bitte
bei uns. Danke schön.«
    Der Beitrag war zu Ende, der Nachrichtensender brachte
Kurznachrichten aus aller Welt.
    Nicola klappte den Laptop zu. »Schrecklich, findet ihr nicht?«,
fragte sie in den Raum.
    »Eher spannend, ein richtiger Thriller«, sagte ein Kommilitone.
    »Was haben Sie gesehen? Was war die Botschaft?«, übernahm Adler die
Führung. »Leider habe ich den Anfang verpasst, aber Sie können es sicher für
mich zusammenfassen. Nicola?«
    »Na ja, die Inspektorin hat Stellung zu den drei grässlichen
Frauenmorden bezogen,
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