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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen
Autoren: Wolfram Ströle
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dass Ophelia nichts passiert wäre, wenn ich sie nicht mit dem Messer bedroht hätte. Alles andere interessiert ihn nicht.
    Vor einer Minute habe ich mich noch so stark gefühlt, jetzt kann ich mich kaum auf dem Stuhl halten. Dass Ophelia tot sein soll, ist für mich unvorstellbar. Der Kummer zwingt mich in die Knie. Müssen unter meinem verzweifelten Überlebenskampf denn alle leiden, die mir wichtig sind?
    Natürlich könnte ich jetzt klein beigeben und die Meister ihren Prozess und alles machen lassen. Kraft mich zu wehren habe ich nicht mehr. Fast nicht mehr. Da fällt mir ein, wie Sean mich zum Abschied geküsst hat. Wie mich das mit Leben erfüllt hat. Und ich denke an Sasha in ihrem kleinen Schlafanzug und ihr herzhaftes Gähnen. Verstohlen sehe ich Matthew an, der bisher geschwiegen hat. Auf seinem Gesicht liegt ein ungerührter, spöttisch abwartender Blick. Sofort erwacht mein Widerstandsgeist aufs Neue.
    »Sie haben mir damals etwas versprochen.«
    Meine Stimme ist in dem stillen Zimmer überlaut zu hören. In Matthews Augen tritt ein Flackern. Adrian sieht ungläubig zuerst mich und dann Erik an.
    »Ich weiß das nicht von Erik.« Ich wähle meine Worte sorgfältig, damit ich so wenig wie möglich lügen muss. Entschlossen wische ich die Tränen von meinen Wangen. »Er hat mir nichts gesagt, ich war damals selbst dabei, schon vergessen?«
    Adrian lacht schrill. »Das ist ja eine unverschämte Behauptung. Matthew?«
    »Es könnte unter Umständen sein, dass Eva Recht hat«, sagt Matthew und studiert gelangweilt seine Fingernägel.
    Ein schreckliches Schweigen tritt ein, dann ergreift Adrian das Wort. Er klingt drohend. »Und um was genau ging es bei diesem Versprechen?«
    »Matthew hat geschworen, dass er Eva retten würde, wenn ihr je Gefahr von der Meisterei drohe«, sagt Erik.
    Matthew räuspert sich. »Soweit ich mich erinnere, war das Versprechen an die Bedingung geknüpft, dass sie es wert ist.«
    »Aber das bin ich.« Ich sehe ihn an. »Sie wollten, dass ich fliehe? Das habe ich getan. Dass ich um mein Leben kämpfe? Auch das habe ich getan. Ich bin hier. Sie haben gesagt, ich sollte selbst einen Weg aus der Schlinge finden, und das habe ich. Sie haben mich nur gefunden, weil Sie Glück gehabt haben. Die Späher haben uns gefunden, weil jemand uns an sie verraten hat.« Ich bringe es nicht übers Herz, Ophelias Namen auszusprechen, der Kummer sitzt zu tief. Ich zeige zum Fenster. »Ich hätte leicht nach draußen klettern und weglaufen können. Sie hätten mich nicht eingeholt, wenn ich nicht hier gewartet hätte. Amarra wollte mir das Leben nehmen. Ich musste mir den Sender herausschneiden, weil ich keine andere Wahl hatte. Mir blieb nur die Flucht. Ich habe alles getan, was ich konnte, um mich zu retten. Jetzt ist es an Ihnen, zu Ihrem Versprechen zu stehen.«
    Meine Hände zittern, aber ich verschränke sie fest. In der Stille höre ich mein Herz klopfen. Es klingt so lebendig.
    »Das kann nicht dein Ernst sein«, sagt Adrian schließlich, den Blick auf Matthew gerichtet. Seine Stimme ist wie ein eisiger Wind auf der Haut. »Du kannst nicht wegen eines Versprechens, das du einmal hinter unserem Rücken gegeben hast, die Gesetze der Meisterei und den Schlafbefehl außer Kraft setzen.«
    »War das nicht auch dein Vorhaben?«, erwidert Matthew. »Du hast ihr erst vor einigen Stunden ein Angebot gemacht, das gegen sämtliche Gesetze verstößt, und zwar ebenfalls hinter unserem Rücken.«
    Adrian presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Dank meines Angebots hätten wir sie jederzeit unter Kontrolle gehabt. Ihr seid in dieser Beziehung kläglich gescheitert.«
    »Zugegeben«, sagt Matthew.
    Adrian sieht ihn bitter an. »Vermutlich willst du dich jetzt unbedingt für sie starkmachen.«
    »Sei nicht albern.«
    Adrian lächelt schwach, fast bedauernd. »Wie konnte sie eine solche Katastrophe auslösen?«
    »Gute Frage.« Matthew mustert mich. »Du wirkst so klein und schwach. Wie hast du es geschafft, hier alles auf den Kopf zu stellen, Eva?«
    »Ich will nur leben«, sage ich.
    »Aha?« Adrians Augen funkeln. »Du willst leben – koste es, was es wolle. Willst du mich wirklich bitten, sie gehen zu lassen, Matthew? Meine Tochter ist tot!«
    »Glaubst du, Eva wird je vergessen, was ihr Leben sie gekostet hat?«, fragt Erik empört. »Findest du nicht, dass der Preis, den sie mit Ophelias Leben gezahlt hat, hoch genug ist? Du warst nicht der Einzige, dem deine Tochter etwas bedeutete. Eva
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