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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen
Autoren: Wolfram Ströle
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Zimmers und warte.
    Fünf Minuten. Zehn. Fünfzehn. Dann höre ich draußen auf dem Gang Schritte. Schritte mehrerer Menschen. Wächter sind nicht darunter, dazu sind die Schritte zu laut und fest.
    Die Tür geht auf. Adrian tritt zuerst ein, Matthew folgt widerstrebend hinter ihm. Er würde das Zimmer lieber nicht betreten.
    In Adrians Augen brennt ein solcher Hass, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, und schließt ihn wieder. Einen kurzen Moment lang wirkt er verunsichert. Die Meister haben erwartet, dass ich panische Angst habe, dass ich versuche, durch das Fenster zu fliehen oder dass ich schon weg bin. Doch hier sitze ich auf diesem Stuhl und blicke ihnen entgegen. Das weckt ihr Misstrauen.
    Matthew kneift die Augen zusammen. Adrian sieht ihn fragend an und dann wieder mich. Seine Stimme ist so kalt wie Eis. »Würdest du mir bitte erklären, was sie hier tut, Matthew?«
    »Tut?«
    »Also …« Adrian kommt drohend einen Schritt näher und ich sehe ihm an, dass er mich am liebsten erwürgen würde. »Sie wartet auf uns. Warum tut sie das?«
    Bevor jemand etwas antworten kann, nähern sich draußen laute Schritte und eine Frau eilt ins Zimmer. Sie ist nicht allein: Erik und Mina Ma folgen dicht hinter ihr. Beim Anblick der beiden wird mir warm ums Herz. Als Erik mich sieht, macht er eine ruckartige Bewegung nach vorn, als wollte er zu mir stürmen, mich umarmen und vor Adrian verstecken, aber er reißt sich zusammen. Mina Ma macht einen wütenden Eindruck. Einen Augenblick sieht es so aus, als wollte sie mich fragen, warum ich noch hier bin. Dadurch würde sie verraten, dass sie mir bei der Flucht geholfen hat.
    »Sie sind Elsa«, sage ich zu der anderen Frau, »Elsa Connelly.« Elsa hat immer noch goldene Haare und ein ruhiges, faltenloses Gesicht, aber um ihren Mund liegt ein harter Zug. Ihre Augen verraten, dass sie älter ist, als sie aussieht: Sie sind traurig und müde.
    Ich habe von ihr geträumt. Sie war die Frau mit den traurigen Augen, die mich nach meinem größten Wunsch gefragt hat.
    »Ja«, antwortet sie fast freundlich. »Und du bist Eva, richtig?«
    Ich nicke.
    »So heißt sie nicht«, fährt Adrian sie unwirsch an. Ich spüre den Blick seiner golden funkelnden Augen auf mir und ein kalter Schauer überläuft mich. Dieser Hass war vorhin bei unserem Gespräch noch nicht da. Es liegt auf der Hand, dass er vor allem eins will: mich töten, damit er endlich seine Ruhe hat.
    »Eva«, sagt Erik gequält, »du weißt bestimmt, dass du um eine Anklage jetzt nicht mehr herumkommst, nicht wahr?«
    Ich setze zu einer Antwort an, aber Adrian lässt mich nicht zu Wort kommen. »Ich denke, wir können uns die Formalitäten sparen und die Sache gleich hier hinter uns bringen. Was die Anklage betrifft, haben wir eine große Auswahl. Jeder Anklagepunkt reicht aus, sie zu beseitigen.« Er lacht bitter. »Wahl eines eigenen Namens, Flucht, privater Umgang mit einem Vormund, Tötung eines Vormunds …«
    »Wie bitte?« Ich stehe auf und starre ihn an. »Von was reden Sie?«
    Adrian kommt noch einen Schritt näher. Ich hebe abwehrbereit die Hände, doch er macht keine Anstalten, mich zu berühren. »Hast du Ophelia etwa schon vergessen? Meine Tochter ist noch nicht einmal eine Stunde tot und du hast schon vergessen, was du getan hast?«
    »Tot?«, wiederhole ich benommen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt und ich bekomme keine Luft. »Tot? Aber nein! Sie war gar nicht so schwer verletzt, es ging schon wieder …«
    Ich begegne Mina Mas Blick und die Worte ersterben mir auf den Lippen. Sie wirkt nicht einmal schuldbewusst. Ich entnehme ihrem Blick, dass Ophelia tatsächlich schwer verletzt war und keine Aussicht auf Heilung bestand. Aus meiner Kehle dringt ein stummer Schrei. Ophelia hat mich angelächelt und dann die Augen geschlossen und nie wieder aufgemacht.
    Einen Augenblick bin ich schrecklich wütend auf Mina Ma und glaube, dass ich ihr nie verzeihen kann. Doch das Gefühl ist rasch vorüber, denn mir wird klar, dass ich mit Sean genau dasselbe gemacht habe. Mina Ma hat gelogen, weil ich fliehen sollte. Sie hat gelogen, um mich zu retten. Wie kann ich sie dafür hassen?
    »Es war ein tragischer Unfall, Adrian«, meldet sich Elsa entschieden zu Wort, auch wenn Adrian ihr aufrichtig leidzutun scheint. »Theseus hat uns erzählt, was passiert ist. Das Kind ist für Ophelias Tod genauso wenig verantwortlich wie du.«
    Adrians Gesichtsausdruck bleibt unverändert. Er weiß,
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