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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night
Autoren: Ed McBain
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stehlen? Die englische Sprache ist für ihn manchmal das reinste Geheimnis, doch er versteht verdammt genau, was Bernie ihm jetzt sagt. Bernie sagt: »Bezahl mich bis Sonntag morgen, mein Freund, oder es wird dir vielleicht sehr leid tun.«
    Das sagt Bernie.
    Dann ruft er Svetlana an und fragt sie, ob er noch immer tun soll, was sie ihm neulich vorgeschlagen hat…
    »Ja«, sagt sie sofort.
    »Dann bin ich bereit dazu«, flüstert er ins Telefon. »Wann?« flüstert sie.
    Beide flüstern auf Italienisch wie die Verschwörer, die sie ja auch sind.
    »Jetzt«, sagt er. »Heute abend.«
    »Nein. Ich muß zuerst noch einiges erledigen.«
    »Wann denn?«
    »Morgen abend?«
    »Ja, in Ordnung«, sagt er. »Morgen abend.« Das alles auf Italienisch. Domani sera? Si, va bene. Domani sera. »Ich rufe Sie morgen an«, sagt er. »Gut. Rufen Sie mich an. Aber nicht morgen früh. Da bin ich nicht da. Ich muß mich noch um einiges kümmern.«
    »Wann also?«
    »Am frühen Nachmittag.«
    »Ich rufe Sie an.«
    » Ciao«, sagt sie.
    » Ciao.«
    Zwei alte Freunde, die sich verabschieden. Es ist kurz vor elf, als er an diesem Abend in ihrem Apartment eintrifft. Sie trägt ein geblümtes Hauskleid aus Baumwolle und Pantoffel mit hohen Absätzen. Sie erzählt ihm, daß sie am Morgen bei der Bank war, um das Geld abzuheben, das sie ihm versprochen hat…
    »Ich nehme nicht gern Geld dafür«, sagt er.
    »Ich erwarte nicht…«
    »Ich habe hohe Schulden«, sagt er. »Sonst würde ich mich gar nicht darauf einlassen.«
    »Nehmen Sie es«, sagt sie und gibt ihm einen Umschlag. »Zählen Sie es.«
    »Ich muß es nicht zählen.«
    »Zählen Sie es. Es sind fünfundzwanzigtausend Dollar.«
    Er schüttelt den Kopf und steckt den Umschlag in eine Jackentasche. Es ist jetzt Punkt dreiundzwanzig Uhr.
    »Ich war heute morgen beim Friseur«, sagt sie.
    »Es ist sehr schön«, sagt er und bewundert den wellenförmigen Schnitt. »Sie sehen wunderschön aus.«
    »Ich hätte ein langes schwarzes Abendkleid angezogen«, sagt sie, »aber es soll aussehen, als hätte ein Eindringling mich überrascht. Damit kein Verdacht auf Sie fällt. Wir machen das Fenster auf. Dann glauben sie, daß jemand eingestiegen ist.«
    »Ja«, sagt er.
    Er fragt sich, was für ein Mensch er ist, so etwas einer armen, alten, tauben Frau anzutun. Was für ein Mensch? Aber Bernies Drohung geht ihm nicht aus dem Kopf. Und er überlegt, was er tun wird, er sagt sich, daß er mit den fünfundzwanzig Riesen die zwanzig bezahlen kann, die er Bernie schuldet, und mit den restlichen fünf erwischt er bei den Rennen der nächsten Woche vielleicht ein oder zwei gute Pferde, er kann Gott weiß wieviel Geld daraus machen, vielleicht sogar ein kleines Vermögen. Außerdem, sagt er sich, nimmt er in Wirklichkeit ja gar kein Leben. Er tut nur, worum Svetlana ihn bittet. Er hilft ihr nur dabei, mit Würde und Ehre zu sterben. Er hilft ihr, diese Welt mit intakten Erinnerungen zu verlassen. Dafür wird Gott ihm vergeben. Das redet er sich ein.
    Sie öffnen das Schlafzimmerfenster.
    Kalte Luft strömt in die kleine Wohnung.
    Sie geht zum Schlafzimmerschrank und holt einen alten Nerzmantel heraus.
    »Es soll so aussehen, als wäre ich gerade von dem Laden zurückgekommen«, sagt sie. »Damit niemand Sie verdächtigt.«
    Seine Hand beginnt auf dem Knauf des Revolvers in seiner Manteltasche zu zittern. Jetzt, wo es fast soweit ist, weiß er plötzlich nicht mehr, ob er überhaupt dazu imstande ist. Er ist sich ganz und gar nicht mehr sicher.
    »Würden Sie mir bitte helfen?« fragt sie.
    Er hält den Mantel, und sie schlüpft hinein. Er riecht den Fisch an seinen Händen. An seinen Händen haftet immer der Gestank von Fisch.
    Jetzt zittert er am ganzen Körper.
    Sie nimmt ihre Handtasche vom Tisch neben der Wohnungstür, stöbert darin herum und findet schließlich, was sie sucht, einen weißen Umschlag, auf den sie einen Namen geschrieben hat.
    »Bringen Sie den zur Rezeption des Hotels Powell«, sagt sie. »Der Name meiner Enkelin steht darauf. Bitten Sie den Portier, ihn zu ihrer Suite zu schicken. Achten Sie darauf, Suite zu sagen. Sie hat nämlich eine Suite dort.«
    Er nickt, nimmt den Umschlag entgegen. »Versprechen Sie es mir«, sagt sie. »Ich verspreche es«, sagt er.
    Er schiebt den Umschlag in die linke Manteltasche, in der auch der mit dem Geld steckt. Dem Blutgeld. Seine rechte Hand steckt in der Tasche, in der er den Revolver hat. Er schwitzt. Seine Hand auf dem Griff der Waffe ist ganz
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