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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night
Autoren: Ed McBain
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dem Reißverschluß des linken Stiefels kämpfte. Von den Zwillingen ähnelte sie Teddy stärker. Dasselbe schwarze Haar und dieselben dunkelbraunen Augen, dasselbe wunderschöne, ausdrucksstarke Gesicht. Mark kommt auf seinen Vater raus, dachte Carella. Armer Junge.
    »Wie war das Tanzen?« fragte er.
    »Okay.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wo ist Mom?«
    »Shopping.«
    »Hast du gut geschlafen?«
    »Na ja«, sagte er. »Wie, na ja?«
    »Nicht so gut«, sagte er.
    »Das ist aber schade«, sagte sie und schaute plötzlich zu ihm auf. »Dad?«
    »Ja?«
    »Neulich, als Mark sich so schrecklich fühlte, weißt du noch?«
    »Ja?«
    »Und ich dachte, er würde vielleicht sterben?«
    »Aber davon war doch gar nicht die Rede, Schatz.«
    »Ich weiß, aber das habe ich nun mal gedacht.«
    »Dann mach dir keine Sorgen mehr, ihm geht es wieder gut.«
    »Ja, aber das will ich doch gar nicht sagen, Dad.«
    Sie wirkte plötzlich verstört, die Stirn gerunzelt, die Augen voller Sorgen. Er setzte sich neben sie auf die Bank und legte einen Arm um sie. »Was ist denn los, Schatz?«
    »Als ich dachte, er würde sterben?«
    »Ja.«
    »Ich wünschte, ich würde seine Gitarre erben.«
    Und plötzlich weinte sie.
    »Ich wollte nicht, daß er stirbt«, sagte sie.
    »Das weiß ich doch.«
    Tränen strömten ihr Gesicht herunter.
    »Aber ich wollte seine Gitarre.«
    »Das ist schon in Ordnung, Schatz.«
    Sie schluchzte bitterlich.
    »Bin ich ein schrecklicher Mensch?«
    »Nein, Schatz, du bist ein wunderbarer Mensch.«
    »Ich liebe ihn doch so, Dad.«
    »Das tun wir alle.«
    »Er ist mein Lieblingsbruder.«
    »Eigentlich ist er dein einziger Bruder«, sagte Carella.
    April brach in Lachen aus und erstickte fast an ihren eigenen Tränen. Er drückte sie an sich. »Warum sagst du ihm nicht guten Tag?« flüsterte er in ihr Haar.
    »Mach ich«, sagte sie, »danke, Dad.« Und sie stürmte aus seinen Armen und aus der Diele und rief: »Mark! Wach auf! Ich bin wieder da!«
    In dem alten Haus war wieder alles still.
    Er ging ins Wohnzimmer, schaltete die unechte Tiffany-Lampe an, setzte sich in den bequemen Sessel darunter, dachte an Marks Gitarre und Svetlanas Katze und die tote Nutte mit dem Plastikbeutel über dem Kopf.
    Als Teddy etwa fünf Minuten später nach Hause kam, beobachtete er sie, wie sie die Tür mit der Hüfte zuschob und dann zwei Einkaufstüten voller Lebensmittel auf den Stuhl neben dem Spiegel stellte. Er beobachtete sie schweigend in ihrer stillen Welt, wie sie den Mantel auszogen und in den Schrank hängte, und dachte, daß hier in dieser gewalttätigen Stadt, in der er seinem Broterwerb nachging -
    Daß hier in einem Universum, das Tag für Tag immer dunkler zu werden schien, bis es irgendwann zu ewiger Nacht zu werden drohte…
    Daß hier Teddy war und nach Hause kam.
    Fast hätte er ihren Namen laut gerufen.
    Aber sie hatte ihn noch nicht gesehen und konnte ihn sowieso nicht hören. Er beobachtete sie weiterhin. Sie drehte sich zum Wohnzimmer um, sah ihn endlich, und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, und ein Lächeln erblühte auf ihrem Gesicht.
    Er stand auf und ging zu ihr.
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