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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung
Autoren: Kathrin Gerlof
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rüber und gibt Hanns zehn Cent zurück, obwohl er stimmtso gesagt hatte. Dann eben nicht, denkt Hanns und setzt sich wieder auf die Bank. Dann lass es doch stecken, blödes Schlitzauge, denkt er und freut sich, dass er das so denken kann. Ohne schlechtes Gewissen und einfach nur so. Prima, sagt Hanns und beißt vom Frühlingsröllchen ab. Plima. Plima Löllchen, schiebt er hinterher und lacht. Der Vietnamese verschwindet hinter der Luke, obwohl man in dieser Blechbüchse gar nicht verschwinden kann. So klein, wie die ist.
    Hanns trinkt sein Bier aus und lässt den halben Korn in der Flasche. Er steht auf und geht auf den Elfgeschosser zu. Irgendeine Tür wird schon offen sein, dann schau ich mir die Welt mal von oben an.
    Von oben ist die Welt dann wirklich so hässlich, wie er es sich vorgestellt hat. Die Imbissblechbude verschwindet fast zwischen den gewaltigen Blocks. Hinter den Straßenbahnschienen scheint die ganze Gegend gespiegelt zu sein. Eine Seite sieht aus wie die andere. Hanns kann die Symmetrie geradezu schmecken. Jetzt noch das, denkt er. Blaue Wut und Kümmelsymmetrie. Er steigt die elf Stockwerke zu Fuß hinunter. Die Flurwände sind weiß und unbemalt. Es scheint sich niemand hier verewigen zu wollen. Im dritten Stock gesellt sich ein Mann mit Hund zu Hanns.
    Der Hund braucht Bewegung, murmelt der Mann. Als bedürfte es dieser Entschuldigung. Hanns lässt Mann und Hund vorbei und steigt hinter ihnen her. Die kurzen Beine des Köters verharren vor jeder Stufe, als müsse die Höhe erst geprüft werden. Es dauert. Drei Mal wendet sich der Mann um und bekundet Hanns, der möge an ihm und dem Hund vorbeigehen. Sie sind doch viel schneller, sagt er und schaut ein wenig ängstlich drein. Hanns tut, |17| als verstünde er das nicht, und bleibt hinter den beiden. Bis sie ganz unten sind und sich erleichtert voneinander lösen. Der Hund macht im Hausflur eine Kehrtwende und bleibt vor der Treppe stehen. Du kommst mit raus, sagt der Mann mit festerer Stimme. Im Treppenhaus hatte er nur gepiepst.
    Du brauchst Bewegung und musst dein Geschäft erledigen.
    Hanns denkt an Veronika. An den Befehlston, den sie manchmal hat, wenn es nicht nach ihren Vorstellungen läuft. Er fragt sich, ob er dann auch brav wie ein alter Köter wirkt. Der einfach nur tut, was man ihm sagt.
    Du kommst mit raus. Jetzt nicht, Hanns. Ich hab keine Lust.
    Schöne Stakkatosätze sind das.
    Beim Verlassen des Hochhauses übt er noch ein paar ein. Mach, dass du fortkommst. Lass mich in Ruhe. Der Rhythmus gefällt ihm. Lass, Schritt, mich, Schritt, in, Schritt, Ruhe, Schritt.
    Auf dem Rückweg ist die Straßenbahn leer. Um diese Zeit will wahrscheinlich niemand sein Wohnsilo verlassen. Hanns macht sich breit auf dem Sitz und denkt an Veronika. Und dass er vergessen hat, sich Zigaretten zu kaufen.

|18| 2. Kapitel
    Veronika schafft es, nur fünf Minuten vor dem Termin da zu sein. Meist ist sie eine halbe Stunde zu früh. Der Chef des Unternehmens ist schon im Besprechungsraum und fragt, ob sie Kaffee oder Tee trinke. Tee, sagt Veronika und löst eine kleine Befehlskette damit aus. Die Sekretärin hält ihr stumm drei verschiedene Teebeutel hin, und Veronika zeigt auf den grünen. Es dauert ein bisschen, bis alle ihr Wunschgetränk haben, drei Männer und sie, eine typische Runde also.
    Veronika spricht zehn Minuten. Sie weiß inzwischen, dass alles, was länger als zehn Minuten dauert, kaum noch aufgenommen wird. Jedenfalls nicht in solchen Runden, wo alle schon an den nächsten Termin denken oder an irgendeine Rundmail, die sie vergessen haben wegzuschicken.
    Ihr Vorschlag ist aber auch einfach. Portfolio entrümpeln, interne Kommunikation auf Vordermann bringen, neue Vertriebswege auftun, das ganze Corporate Design auf den Müll werfen und ein besseres zaubern. Für all diese Dinge hat sie Zahlen und Zeiten parat, nichts bleibt unklar. Zwei der drei Männer nicken hin und wieder beifällig, der dritte hört nicht zu. Auf den konzentriert sie sich dann nach fünf Minuten und schafft es immerhin, dass er einmal lächelt und einmal nickt.
    Nachfragen gibt es nur zum Thema Vertrieb. Ob sie da schon Ideen hätte. Ja, sagt Veronika und schweigt. So lange, bis alle im Raum wissen, dass sie vorhat, mit diesen |19| Ideen Geld zu verdienen, anstatt damit hausieren zu gehen. Ob sie entsprechende Kontakte hätte. Ja, sagt Veronika. Sie weiß, dass dieser Laden hier nur eine Überlebenschance hat, wenn der Vertrieb besser läuft. Alles andere ist
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