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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung
Autoren: Kathrin Gerlof
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hübsches Beiwerk, das geschäftige Klappern sozusagen. Es gibt nur ein Produkt, mit dem sich wirklich neue Kunden fischen ließen. Aber sie wird das hier alles für sich behalten. Auch das hat sie sehr mühevoll gelernt. Eine ausgesprochene Idee ist so gut wie auf den Müll geworfen. Erst über Geld reden und dann über Ideen.
    Dann machen Sie uns doch mal einen KV, sagt einer der drei Männer und steht auf. Niemand sagt mehr Kostenvoranschlag. Viel zu lang und zeitraubend das Wort. Machen Sie mal einen KV, können wir noch einmal über Ihren KV reden. Hanns spränge im Karree und stopfte den Männern hier die zwei Buchstaben in den Rachen.
    Gut, sagt Veronika, Sie bekommen morgen mein Angebot.
    Auf gute Zusammenarbeit, sagt ein anderer der drei Männer. Damit ist die Katze im Sack. Veronika lächelt und denkt an den Tapetenladen in der Schreinerstraße. Der mit den Retromustertapeten, die so viel Geld kosten, ihr aber gefallen. Alles wird jetzt schön, denkt sie. Hanns hat Glück.
    Sie geht in ein Café, bestellt ein Glas Sekt und einen Milchkaffee. Am Nachbartisch sitzt ein Mann. Veronika sieht nur seine Hände. Die halten die Zeitung so hoch, dass er dahinter verschwindet. Die Hände sehen alt aus, und die Zeitung zittert ganz leicht. Veronika nimmt einen Spiegel aus ihrer Tasche und den Lippenstift. Der Spiegel macht sie klein und handlich, der Lippenstift groß und stark. Neben ihrem rechten Nasenflügel entdeckt sie einen Mitesser. Den muss ich später entfernen. Widerlich, denkt sie und |20| steckt den Spiegel wieder in die Handtasche. Der alte Mann hat die Zeitung gefaltet und sieht ihr zu, wie sie mit einem Mitesser neben dem rechten Nasenflügel hadert. Er grinst und ist ungefähr zwanzig Jahre jünger, als sie geschätzt hat. Irgendwas muss mit seinen Händen passiert sein. Dass die so alt aussehen. Veronika lächelt unbestimmt zurück. So unbestimmt, dass es nicht als Einladung genommen werden kann. Sie erinnert sich an einen Urlaub mit einer Freundin, der drei Jahre zurückliegt. Sie waren in eines dieser grässlichen Allinclusivehotels geflogen. Nach Ägypten. Das Hotel verlassen konnte man nicht. Draußen waren Wüste und Meer. Aber es musste und wollte ja auch niemand raus. Allinclusivetouristen buchen ein oder zwei Wochen Luxusgefängnis. Nicht das Abenteuer. Vom Abenteuer wollen Allinclusivtouristen nichts wissen. Und von den fremden Menschen auch nichts. Man trug im Hotel ein Armband, das als Allinclusivenachweis galt. Im Hotel nebenan hatten die Armbänder eine andere Farbe. So konnte es nicht passieren, dass man bei der Konkurrenz umsonst aß oder trank. In dem Hotel arbeiteten nur Männer. Sie reinigten die Zimmer, standen an der Rezeption, verkauften im einzigen Laden der Anlage Tampons und Schmuck. Was die Frau halt so braucht. Einer brachte ihnen jeden Abend den Wein an den Tisch, wenn sie zum Abendessen ins Hotelrestaurant kamen. Ein kleiner hässlicher Ägypter mit traurigen Augen und Plattfüßen. Zumindest lief er so. Auf platten Sohlen. Veronika bildete sich ein, sie leise in den dünnen Lederschuhen schmatzen zu hören. Die platten Sohlen. Jeden Abend erzählte der kleine hässliche Ägypter ihnen, dass er auf der Suche nach einer Frau sei. Eine Deutsche wäre gut, erklärte er. Die meisten deutschen Frauen kämen nur hierher um. An dieser Stelle brach er die Rede stets ab und setzte ein bedeutungsvolles Gesicht auf. An den Nachbartischen saßen jene Frauen, die er meinte. Aufgehübscht, |21| aufgedreht und mit einem gierigen Glanz in den Augen. Hoffentlich sehen wir nicht auch so aus, hatte Veronika gedacht. Hoffentlich glaubt der kleine hässliche Ägypter nicht, wir suchten hier einen Kerl. Aber genau das schien ihr Problem zu sein. Egal, wo sie hinkam, die ägyptischen Männer eröffneten die Jagd auf sie. Sie bliesen drei Mal ins Horn. Der Mann im Laden, wo sie Tampons kaufen wollte und es dann ließ, weil sie sich genierte, einem Kerl zu sagen, dass sie die größte Packung von allen brauchen würde. Dieser Mann ging ihr nach zehn Minuten an die Wäsche. Sie hatte nichts weiter gemacht, als zu grüßen und freundlich zu lächeln, wenn er ihr etwas zeigte. An der Rezeption zwinkerten ihr die Männer vertraulich zu, als hätte sie schon einmal unter ihnen gelegen. Der Putzmann, der täglich ihr Zimmer säuberte und die Nachthemden zu abenteuerlichen Figuren arrangierte, strich ihr im Vorbeigehen wie aus Versehen über den Hintern.
    Am schlimmsten war der Ausflugstag gewesen, der
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