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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Autoren: Kevin Brooks
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schätzte er Kenny Slater als Bassisten kein bisschen. Es stellte sich heraus, dass Kenny überhaupt nur in der Band geduldet war, weil ihm das meiste Equipment gehörte. Seine stinkreichen Eltern schoben es ihm hinten rein, denn anders als Curtis’ Mum und Dad waren sie überglücklich, ihren Sohn auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen. Sie gehörten außerdem zu der Sorte Eltern, die ihren Nachwuchs gern mit Spielzeug überschütten, um aller Welt zu zeigen, wie wunderbar reich sie sind … was ich damals ebenfalls nicht wusste, auch wenn es nicht schwer zu erraten war. Kenny benahm sich nämlich meistens wie ein verwöhntes Kind, das niemand leiden kann und dessen Launen von den anderen Kindern nur ertragen werden, weil er ihnen Süßigkeiten kauft und sie mit seinen teuren Spielsachen spielen lässt.
    Ich kann mich natürlich täuschen, doch an jenem Tag hatte ich das deutliche Gefühl, dass mich Kenny nichtmochte. Er mochte aber auch Curtis und Stan nicht richtig und außerdem schien er nicht einmal richtig Lust auf das Ganze zu haben. Doch die Vorstellung, er würde nach Hause gehen und den Rest der Band mit seinem Equipment weiterspielen lassen, war einfach absurd.
    »Okay«, sagte Curtis zu mir und lächelte, während er sich eine ramponierte schwarze Gitarre über die Schulter hing. »Bist du bereit, die beste Band der Welt zu hören?«
    Während ich sah, wie er zu den andern hinüberging und sein Gitarrenkabel ansteckte, fiel mir wieder auf, wie perfekt er aussah. Das hier war seine Welt … das hier war alles, was ihn ausmachte. Seine Gitarre wirkte wie ein Teil von ihm, und als er die Lautstärke aufdrehte und mühelos eine Reihe von Blues-Riffs runterspielte, wusste ich sofort, dass die Gerüchte, die ich gehört hatte, stimmten – er war wirklich ein Genie auf der Gitarre. Dabei waren die Riffs, die er spielte, gar nicht besonders schwierig oder so, es lag nur an der Art, wie er sie spielte, so natürlich, lässig und rein, und an der rauen Schönheit des Sounds, der nicht aus den Boxen und nicht mal aus der Gitarre zu kommen schien, sondern irgendwo tief aus Curtis’ Seele …
    Ich war echt sprachlos.
    Zufrieden mit dem Klang seiner Gitarre, drehte er die Lautstärke auf und donnerte einen Akkord raus, ein gewaltiges fettes E-Dur, so laut, dass die Wände zitterten – und mein Magen auch. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, mir die Hände über die Ohren zu legen. Ich schaute zu Curtis, der mich anlächelte, wohl um mich daran zu erinnern, dass E-Dur sein Lieblingsakkord war.
    Ich nickte ihm zu und er lächelte zurück.
    Einen Moment lang hielt er meinem Blick stand, dann drehte er sich zu Stan um. »Fertig?«
    Stan nickte.
    Curtis schaute zu Kenny rüber. »Okay?«
    Kenny zuckte die Schultern.
    Curtis ging hinüber und stellte sich vors Mikro. »Das hier ist unser Erkennungssong. Er heißt Naked .«
    Er schwieg einen Moment, schloss die Augen und dann – leicht nach vorn gebeugt, fast wie unter Schmerzen – stieg er mit einem Dröhnen wirbelnder Akkorde ein, dass es mich fast aus den Schuhen warf. Nach vier schnellen Gitarrentakten stürmten Bass und Schlagzeug los und ich schwöre, der ganze Fußboden bebte. Es war ein gewaltiger, riesiger Sound und da wusste ich, was Curtis gemeint hatte, als er von Musik sprach, die dreckig und laut war. Und schnell … Gott, spielten sie schnell. Es war atemberaubend. Curtis war wie ein Wahnsinniger – er drosch die Akkorde heraus und wand sich und wirbelte durch die Garage, taumelte rückwärts, wankte nach vorn – und dann schoss er zum Mikro und fing an zu singen – und seine Stimme war unglaublich. So kraftvoll, so laut und rau, so einfach und brutal … doch gleichzeitig unfassbar schön. Voller Gefühl, Leidenschaft, Emotion …
    Ein Gesang, der tief aus seinem Innern kam.
    Abgesehen von dem Refrain, als alle drei ein gutturales »Naked! Naked!« skandierten, konnte ich nicht viel von dem Text verstehen, doch von dem bisschen, was ich verstand, hatte ich den Eindruck, dass es um Dekadenz und Poesie und monströse Seelen ging.
    Ich hatte noch nie etwas gehört, das sich mit dieser Musik vergleichen ließ.
    Der Song dauerte nicht lange – höchstens drei Minuten –, und sobald er zu Ende war, rief Curtis »Monkey!« und sie setzten zu einem weiteren Song an. Der zweite war etwaslangsamer, ein bisschen weniger atemlos und nicht ganz so manisch wie Naked , hatte aber die gleiche Intensität und Dunkelheit und er schien eins von den
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