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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Autoren: Kevin Brooks
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Mutter. Und auch wenn ich das damals noch nicht wusste, waren sie beide sehr prüde, sehr konservativ und fanden den Lebensstil, für den sich ihr Sohn entschieden hatte, sehr enttäuschend.
    Doch als ich an jenem Nachmittag hinkam, hatte ich keine Ahnung von dem Konflikt zwischen ihm und seinenEltern. Ich wusste nicht, dass sie ihm bereits verboten hatten, die Garage als Probenraum zu benutzen – an dem Tag konnte die Probe nur deshalb dort stattfinden, weil sein Vater das ganze Wochenende an einer Ärztetagung teilnahm und seine Mutter bei ihren Eltern in Maidstone war. Als Curtis mich begrüßte, in die Garage führte und den anderen vorstellte, zitterten mir die Hände, mein Herz flatterte und für einen kurzen, schrecklichen Moment hatte ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Doch komischerweise fühlte ich mich zugleich richtig gut. Richtig lebendig . Aber auch komplett verängstigt und extrem gehemmt. Es war so ein Gefühl wie in der Achterbahn – eine erregende Mischung aus Übelkeit, Angst und einer Spannung, die den Kreislauf auf Touren bringt.
    »Okay«, sagte Curtis und schloss die Garagentür. »Also … dann sind ja jetzt alle da.« Er lächelte mich an. »Alles in Ordnung mit dir?«
    Ich nickte. »Ja …«
    »Gut.« Er führte mich in die Mitte der Garage, wo das Equipment der Band aufgebaut war. »Das ist Kenny«, sagte er und deutete auf einen ziemlich groß gewachsenen Jungen mit einer Bassgitarre, der neben einem der Lautsprecher stand. »Und das«, fuhr Curtis fort, während er sich zu dem andern Jungen am Schlagzeug wendete, »das ist Stan.«
    »Hi«, murmelte ich verlegen und winkte lasch mit der Hand. »Ich bin Lili …«
    Während mich Stan wenigstens kurz ansah und mir zunickte, würdigte mich Kenny kaum eines Blickes. Er schaute nur für den Bruchteil einer Sekunde vage in meine Richtung, dann drehte er sich um und stimmte seinen Bass. Ich kannte beide, Stan und ihn, aus der Schule. Sie waren in derselbenJahrgangsstufe wie Curtis und ich hatte sie ein paarmal mit ihm zusammenstehen sehen. Aber sie waren mir nie als besonders cool aufgefallen. Eigentlich hatte ich eher gedacht, sie hingen nur mit Curtis ab, um mit ihm gesehen zu werden, und nicht weil sie wirklich etwas mit ihm zu tun hatten. Jedenfalls war ich ein bisschen überrascht, dass sie zur Band gehörten. Sie sahen einfach nicht aus wie Typen, die in einer Band spielen.
    Stans richtiger Name war Phillip Smith, aber aus Gründen, die niemand mehr wusste, hieß er seit jeher nur Stan. Er war ein schmaler Typ, ein bisschen schlaksig, mit strähnigen Haaren und langem, tristem Gesicht, das nie eine Emotion zeigte. Er wirkte immer so, als ob ihm alles egal wäre, was ich am Anfang nur für gespielt hielt. Doch als ich ihn etwas besser kannte, begriff ich, dass ihm tatsächlich alles egal war. Er lebte einfach sein Leben, spielte Schlagzeug, machte sein Ding … und das war’s. Mehr brauchte er nicht. Alles andere – der Rest der Welt – interessierte ihn nicht.
    Und dafür bewunderte ich ihn irgendwie.
    Nicht dass ihn gekümmert hätte, was ich dachte … ich hätte es ihm auch nie erzählt. Ehrlich gesagt zeigte Stan so wenig Interesse für die Gedanken anderer Leute, dass er nur sprach, wenn es absolut notwendig war. In der ganzen Zeit, die ich ihn kannte, habe ich ihn, glaube ich, höchstens ein Dutzend Worte aneinanderreihen hören. Er war selbst dann absolut wortkarg, wenn es nur um das Anzählen zu Beginn eines Songs ging.
    »Kannst du das nicht machen?«, fragte er Curtis.
    »Verdammt, du musst doch bloß bis vier zählen«, antwortete Curtis dann jedes Mal und schüttelte angesäuert den Kopf. »Das ist ja wohl nicht so schwer.«
    »Ich weiß …«
    »Na also, dann mach’s.«
    Und dann zählte Stan. Aber beim nächsten Song sagte er bloß: »Eins, zwei …«, und spielte einfach los, manchmal schlug er auch nur viermal die Stöcke zusammen … und Curtis fing wieder an, mit ihm zu streiten.
    Doch die Auseinandersetzungen führten nie richtig weiter. Und das lag nur zum Teil daran, dass Stan Diskussionen für überflüssig hielt. Der Hauptgrund bestand darin, dass er einfach ein verdammt guter Schlagzeuger war. Curtis wusste sehr genau, wie wichtig ein guter Schlagzeuger für eine Band ist, deshalb riskierte er lieber nicht, Stan zu verlieren. Auch wenn er sich ab und zu mit ihm stritt, vermied er doch, Stans Rolle in der Band aufs Spiel zu setzen.
    Mit Kenny lief es ganz anders. Wie Curtis mir schon erzählt hatte,
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