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Literaturgeschichte der USA

Literaturgeschichte der USA

Titel: Literaturgeschichte der USA
Autoren: Mario Klarer
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politischen Aufstieg in der Kolonie bei.
    Diese 1607 am James River in Virginia gegründete Kolonie mit dem Namen Jamestown wurde zur ersten dauerhaft besiedelten englischen Kolonie Nordamerikas. Bereits in den ersten Monaten der Siedlungsaktivitäten wurden Erkundungsreisen der Umgebung unter der Leitung von John Smith unternommen, die kriegerische Konflikte mit den dort ansässigen Indianern zur Folge hatten. Eine dieser Auseinandersetzungen, die scheinbar zur Gefangennahme John Smiths geführt hat, ging als «Pocahontas Mythos» in die amerikanische Geschichte ein.
    John Smith berichtet in einer kurzen Passage seiner
General History of Virginia, New-England, and the Summer Isles
(1624), dass nach seiner Gefangennahme durch die Indianer ein Todesurteil über ihn ausgesprochen worden war.
    […] a long consultation was held, but the conclusion was, two great stones were brought before Powhatan [the chieftain]: then as many as could laid hands on him [John Smith], dragged him to them, and thereon laid his head, and being ready with their clubs, to beat out his brains, Pocahontas, the King’s dearest daughter, when no entreaty could prevail, got his head in her arms, and laid her own upon his to save him from death […][ 3 ]
    […] eine lange Beratung wurde abgehalten, doch das Ergebnis war, dass zwei riesige Steine vor Powhatan [den Häuptling] geschleppt wurden; dann legten so viele wie nur irgend möglich Hand an ihn [John Smith], zogen ihn zu den Steinen und legten seinen Kopf darauf, bereit, ihm mit ihren Keulen das Gehirn herauszuschlagen, alsPocahontas, die liebste Tochter des Stammesfürsten, als kein Flehen mehr nützte, seinen Kopf in ihre Arme nahm und den ihren darüber legte, um ihn vor dem Tod zu bewahren […][ 4 ]
    Diese kurze Episode, die ausschließlich in Smiths
General History
erwähnt wird, beflügelte die Imagination nachfolgender Generationen auf vielfältige Weise. Wieder sind die beiden gegensätzlichen Pole des frühen Amerikabildes in der europäischen Vorstellungswelt am Werk: einerseits verkörpern die Ureinwohner Amerikas Gewalt und todbringende Gefahr; andererseits geht von denselben Akteuren wohlwollende, fast erotisierende Zuwendung aus. Tod und Rettung, Abscheu und Zuneigung gehen ineinander über. In den folgenden Jahrhunderten wurde Pocahontas zum Inbegriff der «Edlen Wilden».
    Einige Jahre zuvor hatte
Michel de Montaigne
(1533–1592) in seinem Essay
Des Cannibales
(1580) die Ureinwohner der Neuen Welt als «Edle Wilde» charakterisiert, die in Harmonie mit ihrer Umwelt stehen. Pocahontas wird zu einer weiblichen Version dieses Mythos, wobei zudem noch erotisierende, unschuldige Weiblichkeit, die in der Vorstellung von Amerika latent herrscht, auf eine konkrete Person projiziert wird. So wie Captain Smith Wange an Wange mit der schönen Prinzessin Pocahontas dem Tod ins Auge sieht, so werden sich Generationen von nachfolgenden Abenteurern die Interaktion mit der amerikanischen
frontier
vorstellen – nämlich als erotisierende Gefahr. Es bleibt eines der ungeklärten Rätsel der amerikanischen Kolonialgeschichte, ob diese Begebenheit mit Pocahontas den historischen Tatsachen entspricht. Unbestritten bleibt aber der Einfluss, den diese kurze Passage aus Smiths
General History
auf das Amerikabild ausgeübt hat.
    Captain John Smith war aber nicht nur Gefahren ausgesetzt, die von den Indianern ausgingen. Immer wieder flammten die unterschwelligen Konflikte mit den Kolonisten in Jamestown auf. So wurde er wegen des Verlustes zweier Gefährten erneut zum Tode verurteilt, entging diesem nur durch Zufall und fiel fast einem Bombenanschlag zum Opfer. Smith musste sich schließlich gegen seinen Willen aus der Kolonie zurückziehen,die er so entscheidend mitgestaltet hatte, und kehrte nach England zurück. Dort verfasste er mehrere geographische Werke über die Gebiete des heutigen Neuenglands und Virginias. Seine Dienste bot John Smith auch den Puritanern an, die 1620 auf der Mayflower die Küste des heutigen Massachusetts erreichten. Trotz seiner exzellenten Kenntnisse und seiner Amerikaerfahrung lehnten die Pilgerväter Smiths Angebot ab und vertrauten vielmehr seinen Publikationen über Amerika. Seine Werke erschienen wohl weniger problematisch als seine kontroverse Persönlichkeit.
    1607 verließen die sogenannten Separatisten – so wurden jene mit der Church of England nicht konformen Gruppen unter den Puritanern bezeichnet – England, um sich vorübergehend in Leiden
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