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Literaturgeschichte der USA

Literaturgeschichte der USA

Titel: Literaturgeschichte der USA
Autoren: Mario Klarer
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Verwunderung. In diesem Augenblick kam eine Frau den Hügel herunter, die eine große Keule mit sich führte. Als sie den Standort des jungen Mannes erreicht hatte, versetzte sie ihm einen so kräftigen Schlag von hinten, dass er sofort tot zu Boden fiel. Der Rest der Frauen griff sofort nach ihm und zog ihn an den Füßen den Berg hinauf […] Dort begannen die Frauen, die den Jüngling vor unseren Augen getötet hatten, ihn in Stücke zu schneiden, uns diese zu zeigen, und sie über einem großen Feuer zu rösten […][ 2 ]
    Ein junger Europäer wird von einer Gruppe Ureinwohnerinnen zuerst positiv, fast verführerisch aufgenommen, um dann von ihnen erschlagen und verspeist zu werden. Was hat es mit dieser Ambivalenz von Utopie auf sich? Einerseits wird Amerika als verführerische und Überfluss garantierende weibliche Figur stilisiert, andererseits lauert hinter dieser Fassade ein grausames Männer verschlingendes Ungeheuer.
    Die Erklärungsmöglichkeiten sind vielfältig. Offensichtlich ist aber, dass diese Texte und Visualisierungen des frühen Amerikabilds mit «Anziehung» und «Abschreckung» als zwei gegensätzlichen Grundprinzipien arbeiten. Man darf nicht vergessen, dass diese frühen Texte und Bilder vor allem Werbefunktionen erfüllten. Einmal sollten die Auftraggeber zu neuen Investitionen für weitere Erkundungsfahrten bewogen, aber auch potentielle Siedler als Kolonisten angeworben werden. Auf jeden Fall sollte das entdeckte Land im bestmöglichen Licht erscheinen. Was eignet sich hierzu besser als utopisch Überzeichnetes. Gleichzeitig durfte das neu entdeckte Territorium aber nicht nur perfekt und ideal dargestellt werden. Schließlich wollte man ja eine – unter Umständen auch gewaltsame – Inbesitznahme durch die Europäer propagieren. Grausame Kannibalen eignen sich besser als unumgängliche Opfer einer Kolonisationspolitik als die ausschließlich wohlwollenden, edlen Wilden eines Goldenen Zeitalters.
    Diese Ambivalenz des Utopischen und des Kannibalistischen zeichnet vor allem das frühe Amerikabild in der europäischen Imagination aus. Gerade im späten 15. und im frühen 16. Jahrhundert wurde in der europäischen Wahrnehmung der Neuen Welt nicht regional unterschieden. Die mit Hilfe der neuen Technik des Buchdrucks flächendeckend über Europa verbreiteten Berichte aus Mittelamerika, Südamerika oder den Territorien der heutigen USA verschmolzen im Bewusstsein der Leser zu einem relativ undifferenzierten Bild der Neuen Welt. Seine Grundbestandteile von irdischem Paradies und unkontrollierbarer Wildnis blieben aber auch in den folgenden Jahrhunderten mit den unterschiedlichen nationalen Identitäten in Nord- und Südamerika verbunden. So ist es nicht verwunderlich, dasssich auch die Literatur- und Kulturgeschichte der USA bis heute im Spannungsfeld von Paradies und Wildnis bewegt.
    Die frühesten Entdeckungen und die damit einhergehende Kolonisierung gelangen vor allem spanischen oder unter spanischer Flagge agierenden Seefahrern, wobei die Reisen von Kolumbus und Vespucci die Karibik und Südamerika in den Wahrnehmungsbereich der Europäer rückten. Mit der folgenden Eroberung des mexikanischen Aztekenreiches (1519) durch Hernán Cortés und der Zerstörung des Inkareiches in Peru (1533) durch Francisco Pizarro konnte Spanien seine Einflusssphäre in Mittel- und Südamerika für Generationen sichern.
    Auch die südlichen Regionen des nordamerikanischen Kontinents wurden von spanischen Entdeckern besucht.
Álvar Núñez Cabeza de Vaca
(ca. 1490–ca. 1557) erkundete in den Jahren 1528 bis 1536 zu Fuß die Gebiete des heutigen Texas, New Mexikos und Arizonas. Als einzige Überlebende einer Gruppe von 300 Männern machten sich de Vaca und drei Gefährten von der Mississippimündung auf dem Landweg in Richtung Mexiko auf. Unter unglaublichen Strapazen und Entsagungen, teilweise in mehrjähriger Gefangenschaft als Sklaven von Indianern, gelang es der Gruppe schließlich nach acht Jahren Mexiko City und damit eine spanische Siedlung zu erreichen. De Vacas Bericht über seine Erlebnisse wurde 1542 unter dem Titel
La Relación
publiziert und ist einer der frühesten Berichte über die südlichen Territorien der USA.
Hernando de Soto
(1496 od. 1500–1542) erkundete – jedoch in einer groß angelegten Expedition mit über 600 Soldaten – das Gebiet von Florida und der Golfküste, wobei im Verlauf der vierjährigen Reise (1539–1542), die von der vergeblichen Suche nach Gold und Schätzen
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