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Literaturgeschichte der USA

Literaturgeschichte der USA

Titel: Literaturgeschichte der USA
Autoren: Mario Klarer
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Gefahr den europäischen Siedler gegenüberstellen.
    Wie sehr die Puritaner ihre religiösen Ideen und ihren Lebensstil gegenüber Andersdenkenden verteidigten, zeigt sich auch in der Auseinandersetzung mit
Thomas Morton
(ca. 1579–1647). Im Jahr 1625 ließ sich Morton mit einigen seiner Leute nahe dem puritanischen Plymouth nieder. Vom Merry Mount aus, so nannte Morton seine Siedlung, trat er bald in Geschäftsbeziehungen mit den Indianern, die er mit Rum und Waffen im Tausch gegen Felle versorgte. William Bradford nennt ihn «lord of misrule»[ 7 ], der eine «school of Atheism»[ 8 ] betreibe. Als Morton zu allem Überdruss auch noch einen Maibaum aufstellen ließ, um den Auszug des Winters zu feiern, sahen sich die Puritaner gezwungen einzuschreiten. Morton wurde bezichtigt sich bacchantischen Riten hinzugeben, verhaftet und nach England zurückgeschickt. Er ließ sich dadurch aber nicht beirren und kehrte ein Jahr später nach Amerika zurück. Als Grund für eine neuerliche Verhaftung wurden seine Waffengeschäfte mit den Indianern ins Feld geführt. Diesmal wurde auch sein Anwesen von den Puritanern niedergebrannt.
    Von England aus versuchte Morton vergebens, einflussreiche Personen davon zu überzeugen, dass die Puritaner Neuenglands zu viel Macht für sich beanspruchten und damit Kirche undKrone betrogen. Seine Rechtfertigungen gegenüber den Puritanern wurden 1637 als
New English Canaan
publiziert und stellen eine wichtige Gegendarstellung der frühen Geschichte Neuenglands aus nicht-puritanischer Perspektive dar. Thomas Mortons Konflikt mit der puritanischen Obrigkeit inspirierte noch 1836 Nathaniel Hawthorne zu seiner Kurzgeschichte «The Maypole of Merry Mount», die sich kritisch mit der puritanischen Verfolgung Andersdenkender und scheinbar «Nicht-Erwählter» auseinandersetzt.
    Das calvinistische Prinzip der Prädestination, d.h. der Vorherbestimmung durch Gott, charakterisiert auch das puritanische Selbstverständnis als von Gott auserkorene Musterkolonie. Diese Vorstellung einer von Gott auserwählten Nation dominiert bis heute das Selbstbild der USA und wird immer noch dazu verwendet, außenpolitische Schritte zu legitimieren. Trotz dieser teilweise repressiven Tendenzen, die zur Ausgrenzung Andersdenkender führten, zeichnete sich der amerikanische Puritanismus durch seine besondere Form der Kirchenorganisation als Keimzelle amerikanischen Demokratieverständnisses aus. Die Selbstorganisation von unabhängigen Gemeinden (
congregations
), die sich durch einen schriftlichen Bund (
covenant
) zu einer lokalen Kirche (
church
) unter einem Priester (
minister
) zusammenschließen, ist Ausdruck eines tiefen demokratischen Selbstbewusstseins.
    Welchen großen Einfluss der Puritanismus bzw. die protestantische Religion an sich für die soziokulturelle und sozioökonomische Entwicklung der USA hatte, versuchte der deutsche Soziologe Max Weber am Beginn des 20. Jahrhunderts nachzuzeichnen. In seiner bahnbrechenden Schrift
Die protestantische Ethik und der ‹Geist› des Kapitalismus
(1904) analysiert Weber die Luther’sche Auffassung einer gottgegebenen Begabung und Aufgabe eines jeden Menschen parallel zur calvinistischen Prädestinationsauffassung. Da sich für die Protestanten das Auserwähltsein eines Menschen im materiellen Erfolg manifestiert, besteht nach Weber in protestantischen Ländern wie den USA ein inhärentes Streben nach finanziellem Wohlstand. Diese durch die Prädestinationslehre legitimierte Erfolgsorientierungdes Individuums erzeugt – so Max Weber – eine kapitalistische Grundtendenz in Ländern mit hohen protestantischen Bevölkerungsanteilen.
    Neben der Plymouth Colony der Pilgerväter entwickelte sich auch die Massachusetts Bay Colony, die 1630 von ca. 700 großteils religiös motivierten Siedlern gegründet wurde. Der spätere Gouverneur
John Winthrop
(1588–1649) umreißt bereits auf der Überfahrt in seinem predigtähnlichen Pamphlet
A Model of Christian Charity
die Ideale für die zu gründende Kolonie, die als harmonische und vorbildliche christliche Gemeinschaft beispielhaft sein soll, die berühmte «Stadt auf dem Hügel»: «For we must consider that we shall be as a City upon a Hill, the eyes of all people are upon us.»[ 9 ] Winthrop bezieht sich hier auf die bekannte Stelle im Matthäusevangelium (Mt. 5,14), in dem der Gläubige als eine Stadt auf der Anhöhe bezeichnet wird, und verleiht damit dem Amerikaprojekt der Puritaner eine biblische Dimension der
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