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Lisa

Lisa

Titel: Lisa
Autoren: Thomas Glavinic
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weniger schlimmen Details kotzübel wird. In Ungarn hat sie eine junge Frau entführt, gequält und mit ihren eigenen Haaren erwürgt, in Prag gab es diese Giftserie, bei der sie sicher sind, sie wars, in der Nähe von Warschau hat sie drei junge englische Adelige aufgehängt, in Genua einem Obdachlosen die Nieren herausgeschnitten und in München einem Journalisten die Eier, irgendwo in Dänemark zwei Lesben die Brüste mit der Kettensäge entfernt, bei Nantes einen alleinstehenden Rentner in einem Topf mit seinen eigenen Eingeweiden erstickt und so weiter und so weiter. Insgesamt soll die Frau an zwanzig Tötungsdelikten beteiligt gewesen sein.
    Das ist die offizielle Zahl. Die inoffizielle Zahl, Hilgerts Zahl, da wird einem schwindlig. Aber sie haben nie an die große Glocke gehängt, dass die alle mit einer bestimmten Person zu tun haben.
    Tötungsdelikt, wie sich das anhört.
    Ich komme noch darauf zu sprechen. Es waren eben nicht gerade normale Morde. Also, normal, wie hört sich das an, so normal, wie ein Mord sein kann. Du böse, ich schieße dich tot und laufe weg, einen Tag später tatütata, banale Geschichten eben.
    Ich rede ja nur noch Blödsinn. Ihr versteht es hoffentlich trotzdem.
    …
    Und wer meint, er kennt die Geschichte aus der Zeitung, Junge, du hast keine Ahnung, glaub mir, warts nur ab.
    …
    Was ich am Ziehen so mag, neben der Wirkung, versteht sich, sind diese Briefchen, in denen das Zeug verpackt wird. Die sind so hübsch gefaltet, das ist schon fast Koksorigami. So etwas auszupacken hat was von Weihnachten.
    Hm.
    …
    Dass das Phantom aus meiner Wohnung ein anderes Kaliber ist, erfuhr ich erst Monate nach dem Einbruch. Da hatte ich die Sache bereits halb vergessen. So etwas ist irgendwann nur noch eine Geschichte, die ihr gelegentlich erzählt. Irgendwann ist das kein … kein bedeutsames Thema mehr, es belastet euch nicht wie am Anfang. Zumindest nicht, solange ihr nicht wisst, dass da eine Mörderin in der Wohnung war.
    Ich muss ehrlich sagen, meine Finger wollen dauernd hinüber zu dem Origami-Kunstwerk. Aber das geht nicht, ich kann mir das nicht alle fünf Minuten ins Hirn schießen.
    Zirbenschnaps. Wer kann so etwas saufen? Wenn es wenigstens Wacholder wäre. Ich sollte unten noch irgendwo eine Flasche Whisky haben. Hm. Eigentlich zwei, oder? Einehole ich, wenn ich pinkeln gehe. Toilette ist nämlich unten. Spinnweben, Kriechzeug, Käfer, alles sehr natur.
    …
    Es ist jetzt stockdunkel. Ich mag heute nicht mehr raus. Ich gehe auch nicht mehr raus.
    Ich würde mir gern einen runterholen. Weil mich das im wahrsten Sinn runterholt, mich auf die Erde zurückbringt, doch ich glaube, ich kriegs nicht mehr hin.
    Das dürfte euch vermutlich gar nicht so brennend interessieren.
    Ich hole den Whisky, vielleicht hat der günstigere Auswirkungen auf mich als dieser Biotreibstoff da. Woher ist der über…
    …
    Ich habe nicht eine Flasche Whisky gefunden, ich habe eine Kiste davon gefunden! Wusste gar nicht mehr, dass ich den gekauft hatte! Vier Flaschen! Das Leben lacht mich an! Ist zwar nur Jim Beam, aber wen kümmerts. Ich habe gerade einen runtergeschwappt und merke schon, dass die Erde sich wieder dreht, dass irgendwo die Meere rauschen und irgendwo die Gipfel ruhen, eindeutig, es geht mir besser. In mir ist es ruhiger geworden, meine ich. Ich höre nicht dauernd diese rätselhaften Geräusche. Wo habe ich denn das … so.
    …
    Die ja auch kein Wunder sind. Die Geräusche. Sind kein Wunder. Altes Haus, Katzen auf dem Speicher, wahrscheinlich auch Mäuse, da geht es eben nicht immer lieb und lautlos ab. Am Speicher war ich noch gar nicht, fällt mir gerade ein, das nehme ich mir für morgen vor. Irgendwie muss ich Alex beschäftigen.
    …
    Ich würde mich ja gern auf Facebook einloggen, aber besser nicht. Keine Lust auf Fragen. Gern würde ich denen die Geschichte erzählen, die ich euch erzähle, doch ich trenne das lieber, ein paar von denen wissen schließlich, wie ich heiße. Und bevor jemand sagt, Facebook ist doof, sage ich gleich, erstens stimmt das so nicht, es ist das, was ihr daraus macht. Es ist wie Fernsehen, ihr könnt es doof machen oder nicht doof. Und zweitens ist es ein passabler Zeitvertreib, wenn ihr gerade nichts Besseres zu tun habt.
    Ich habe kein einziges Computerspiel dabei, ich wollte nichts mehr davon sehen.
    Habe ich das überhaupt erwähnt? Ich bin Spieletester. Das ist mein Job, ich teste PC-Spiele. Zwei habe ich selbst entwickelt, ansonsten teste ich die
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