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Lisa

Lisa

Titel: Lisa
Autoren: Thomas Glavinic
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ein Mensch einer Sache nur sicher sein kann. Alles, was Hilgert herausgefunden hat, stimmt. Wir haben es mit dem Schlimmsten zu tun, das …
    Ein Scheiß ist das hier … Moment, Zigarette … Zigarettengehen mir aus. Wenn die weg sind, weiß ich echt nicht mehr, wie es weitergehen soll, dann verliere ich wirklich die Nerven.
    …
    Nein, meinen richtigen Namen verrate ich euch nicht, ich bin ja nicht ganz blöd, nennt mich Tom. Tom, das ist eine Idee von mir. Ich bin eine Idee von Tom.
    …
    Okay. Also von vorn. Für all jene, die gestern und vorgestern nicht zugehört haben.
    23. Juli. Vor drei Jahren. Da hat man bei uns zu Hause eingebrochen. Kommen wir aus dem Urlaub zurück, und Alex sagt: Was isn mit dem Schloss los? Aufgebrochen ist es, steht in schiefem Winkel nach vorn ab, da genügt ein Blick, Besuch bekommen. Ich hinein, mit dem Badmintonschläger als Bewaffnung, habe wohl befürchtet, den Dieb noch anzutreffen, muss ziemlich lustig ausgesehen haben. Ist aber keiner mehr da. Und auch nicht da sind der Laptop, die Stereoanlage und seltsamerweise unsere Dokumente. Ausweise, Geburtsurkunden und so. Den Fernseher hatten sie dagelassen, war ein älteres Modell und zudem groß und sperrig, und gestunken hat er, wenn er länger lief, weil mal die Käsesauce hinten reingeronnen ist, der war noch von Kathas Eltern, dem Herrn Politprofi und der Frau Ich-nehme-die Valium-nur-ganz-selten.
    Alles in allem … na fix noch … alles in allem ein verschmerzbarer Verlust, wenn ihr bedenkt, dass sie die Münzsammlung hätten finden können, weiß nicht, was die wert ist, zehntausend Euro vielleicht, keine Ahnung. Von den Daten auf dem Laptop hatte ich back-ups, die Versicherung hat anstandslos gezahlt, also alles okay.
    Die hätten wir reinlegen können, die haben nicht einmal nachgefragt! Auf diese Weise sind wir zu einem neuen Laptop und einer Stereoanlage gekommen, und fast muss ich sagen, damals hätte ich den Gaunern den Fernseher obendrein gegönnt. Aber Versicherungsbetrug, das ist nichts für mich, ich kann nicht einmal am Sonntag die Zeitung stehlen. Nicht weil ich Angst habe, erwischt zu werden, sondern weil ich Betrug nicht leiden kann, ich hatte immer das Gefühl, diese Unehrlichkeit bekomme ich anderswo zurück.
    Keine Frage, ich kenne Leute, die sehen das anders. Die meisten sehen das anders, gerade bei der Versicherung. Versicherungen sind Schweine, hört man immer, die betrügen euch, wo sie nur können, ihr zahlt jahrelang, und wenn ihr in der Klemme steckt, drücken sie sich um die Entschädigung herum, solche Leute muss man geradezu betrügen, wenn man die Gelegenheit hat, und so weiter, das sagen sie, die meisten sagens, und mir passt das nicht. Wenn ich mit dem Betrügen anfange, darf ich mich nicht beschweren, wenn zurückbetrogen wird. Mich haben sie aber noch nicht betrogen. Ich meine, ich hatte kein Recht dazu, ich weiß nicht, wie ihr das einschätzt, jedenfalls finde ich, es gehört sich nicht. Wenn das alle machen, wenn alle hin- und herbetrügen, was ist das dann für eine Welt? Wenn ich davon ausgehen muss, dass mich sowieso jeder betrügen will?
    Scheint schon loszugehen mit der Quasslerei.
    Bin ich durstig. Meine Lippen springen auf, so heiß ist es hier. Ich glaube, ich hole mir doch mal ein Bier. Nein, zuerst was ziehen, und dazu zwei Liter Wasser. Bin gleich zurück.
    …
    Worauf ich hinauswollte – ach ja, ausgesehen hat es in der Wohnung, unfassbar. Hinter den Bücherregalen schauensie natürlich immer zuerst nach, aber so schlau bin ich auch, die Münzen hatte ich unter dem alten Kinderspielzeug. Wir haben drei Tage aufgeräumt, nachdem die Polizei abgezogen war.
    Die haben ihre Sache gründlich gemacht, das muss man ihnen lassen. Deswegen ist die ganze Angelegenheit überhaupt so ausgeartet, weil die sorgfältig vorgegangen sind. Ein Papiertaschentuch war der Auslöser. DNA-Spuren. Fingerabdrücke hatten die selbstredend eine Menge, doch das Taschentuch hat ihnen zusätzlich die DNA von einem der Besucher verschafft.
    Gründlich waren sie, hat Katha gesagt, trotzdem, helfen wird das nichts, die kriegen sie nie. Du hättest die Sicherheitstür einbauen lassen sollen, du Mondkalb, du stures, deine Schuld, das ist wieder mal typisch, das war ja klar.
    Und ich? Mir wars egal. Ich wollte mich mit ihr nicht rumstreiten, sie hatte sowieso immer das letzte Wort, und in dem Fall war es mir wirklich egal, für die verdammte Tür hätte ich das Doppelte von dem gezahlt, was die mitgenommen
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