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Lisa

Lisa

Titel: Lisa
Autoren: Thomas Glavinic
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schon wieder wirres Zeug oder bringe jedenfalls alles durcheinander. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mich herumdrücke. Natürlich gäbe es bei mir nicht pausenlos Fertigsuppen, wenn wir woanders wären, gäbe es ein Spitzenessen, für Alex sowieso. Bloß hätte ich es nicht gekocht. Damit das geklärt ist. Natürlich gehe ich gern gut essen, ich mag nur das Getue nicht.
    …
    Tut mir leid, dass ich noch einmal mit diesem Thema anfange, die Kulturschiene beim Essen lässt mich nicht los. Genau dasselbe Geschwafel bekommt ihr nämlich in Bezug auf Sex zu hören. Da sollt ihr ebenfalls stundenlang das tun und stundenlang das und euch um dieses und jenes kümmern. Anstatt einfach zu ficken. Einfach Sex und Spaß und Feierabend. Muss man wirklich um alles so ein Brimborium machen?
    Na ja, irgendeinen Inhalt braucht auch das sinnloseste Leben, nicht wahr?
    …
    Puh. Hallo? Gehts jetzt wieder? Ich weiß nicht, ob ich bloß einsam vor mich hin rede, die Situation ist absurd. Nicht nur, dass ich nicht sehen kann, wie viele Hörer ich habe, es stimmt auch etwas mit dem Mikro nicht. Wenn mich jemand hört, könnte er eine Feuerwerksrakete abschießen, vielleicht sehe ich die ja. Eine Rakete wird nicht reichen, ein ganzes Feuerwerk müsste es sein. Wahrscheinlich sehe ich nicht mal das. Na, auch egal. Irgendjemand wird mich schon hören.
    …
    Ich sitze da mit meinem Wein und rede vor mich hin. Wunderlich, werde ich schon wunderlich? Ich schaue mal zum Fenster.
    …
    Offenbar keine Pyrotechniker in der Nähe, die Internetradio mögen.
    So genau wusste ich das am Anfang natürlich nicht, genaugenommen wusste ich gar nichts, das alles hat mir erst Hilgert erzählt, viel später. Über die Frau. Der erste Akteneintrag der DNA-Spur mit der Kennzahl BW/86/VX/334562, ja, ich weiß das auswendig, der erste Akteneintrag stammt aus dem Jahr 1986. Nein, es war bei weitem nicht der erste, lange Zeit dachte man, es sei der erste, aber da verzweigt sich die Geschichte wieder, und mir ist lieber, ich erzähle sie so, wie ich sie gehört habe, denn sonst blickt ihr überhaupt nicht mehr durch.
    Die vermeintlich erste Spur der Frau stammt aus dem Jahr 1986. Ein Polizist wird in seinem Auto erschossen, und wie wir wissen, ermittelt die Polizei besonders gründlich, wenn es einen von ihnen erwischt hat. Diesmal vergeblich, der Täter wird nicht geschnappt. Beziehungsweise die Täterin.Ich weiß nicht mehr, wie die damals das Genmaterial isoliert haben, ob es wieder ein weggeworfenes Taschentuch war oder etwas anderes. Jedenfalls wird später, als sie solche Untersuchungen machen können, als die neuen Ermittlungsmethoden eingesetzt werden, die DNA der Frau gefunden, was weiß ich wo und wie und was, jedenfalls wird sie daraufhin mit dem Mord in Verbindung gebracht.
    Das ist Nummer eins. Die Nummer zwei ist ein lächerlicher Einbruchsdiebstahl, ähnlich wie bei mir, nur dass sie dort, im Pitztal, eine halbe Wagenladung Zement stiehlt. Das müsst ihr euch mal vorstellen. Zement!
    Interessanterweise gibt es Komplizen, und zwar mindestens zwei. Männer aus Südeuropa. Bitte, ich habe keine Ahnung, wie die das machen, woher die wissen können, ob jemand aus dieser oder jener Weltgegend stammt. Egal, unter dem Strich steht eine enorm hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Polizistenmörderin zusammen mit zwei Sizilianern im Pitztal eine Ladung Zement hat mitgehen lassen.
    Das ist 1988. Der nächste Mord kommt 1990. Schaurig! Moment, ich muss erst was zocken, sonst halte ich das nicht aus.
    …
    Hat etwas länger gedauert, weil ich wieder Nasenbluten gekriegt habe. Nun bin ich übrigens doch beim Whisky gelandet, der Wein ätzt euch Löcher in die Zunge, da kann ich gleich Zitronen kauen.
    Wein ist ein dankbares Getränk, finde ich, man darf ihn verdünnen, und er schmeckt immer noch gut, versucht das mal mit Bier.
    Oder mit Whisky. Ich habe nie verstanden, wie man sich Eiswürfel in den Whisky kippen kann. Ich bin kein Snob,ich behaupte nicht, dass so etwas Barbarei ist, ich finde es bloß hirnrissig, denn es verwässert den Geschmack, und aus Angst, Wasserwhisky saufen zu müssen, stürzt man das Zeug viel zu schnell runter.
    Nein, die Gläser gehören gut gekühlt, am besten stellt man sie eine Stunde ins Eisfach. Ich würde das ja gern machen, aber hier gibt es keinen Kühlschrank, ich habe den Whisky ins kalte Wasserbad gelegt.
    Solche Probleme habt ihr mit Wein nicht. Klar muss der weiße kalt sein und der rote knapp unter Zimmertemperatur,
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