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Lisa

Lisa

Titel: Lisa
Autoren: Thomas Glavinic
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täuscht, habe ich das Stadium erreicht, in dem meine Worte die Gedanken überholen. Oderanders ausgedrückt, vermutlich fasle ich. Ein Whisky mehr wird trotzdem nicht schaden.
    …
    Jetzt war im Flur das Licht aus. Bin auf und raus, weil ich dachte, Alex ist vom Klo zurück in sein Zimmer und hat es ausgeschaltet, aber der schläft ganz ruhig in seinem Bett. Die Birne war durchgebrannt, habe sie gewechselt.
    Wir haben nur noch drei im Haus, und das passt mir so was von gar nicht. Werde bei erstbester Gelegenheit das Gasthaus durchsuchen müssen, vielleicht kann ich mir da ein paar ausborgen. Der nächste Laden ist zehn Kilometer weg, und ich habe keine Lust, hinzufahren. Mir wird die Gegend rund um das Haus von Tag zu Tag unheimlicher. Und erst der Weg ins Dorf hinunter, eine einsame Straße, hier könntet ihr einen Geisterfilm drehen. Ich bin nicht mal sicher, ob die Glühbirnen haben, das ist nämlich auch ein Laden, der in so einem Film mitwirken könnte. Den könnten sie so lassen. Eine staubige Kammer ohne Vorräte mitten im Nichts.
    Banale Geschichte, das mit der Birne, aber daran seht ihr, in was für einem Zustand ich bin. Am besten geht es mir in der Nacht. Nicht weil ich da kokse, was ich nicht mache, solange Alex wach ist, sondern weil ich hier sitzen und quatschen kann. Es ist fast wie mit einem Kumpel. So viel quatschen, ohne unterbrochen zu werden, könnt ihr nicht mal beim Therapeuten.
    Im Ernst, hier sitzen und reden hilft mir, den nächsten Tag einigermaßen zu überstehen. Habe heute meine Telefonate erledigt, erfolglos zwar und etwas zittrig, doch immerhin war ich nicht total paranoid und am Ende. Zugegeben, ich hatte ein paar Benzos drin, aber die allein waren esnicht. Ich glaube, dass es mir morgen nicht mehr so schwerfallen wird, Alex zu beschäftigen und zu tun, als wären wir ganz normal auf Urlaub. Vielleicht nimmt er es mir ja sogar ab. Direkt darauf ansprechen werde ich ihn natürlich nicht.
    Was tut mir der Rücken weh! Immer nur am Tisch sitzen und ins Mikro reden …
    …
    Alex. Jetzt war er wirklich wach. Wollte was trinken. Habe schnell einen Kaugummi eingeworfen, ich will nicht, dass er die Fahne riecht. Mein Vater hat nicht viel gebechert, aber genug, dass wir es merken konnten. Ich weiß noch, wie ich es verabscheut habe, wenn seine Gutenachtküsse rochen. Ich mochte nicht, was damit zusammenhing. Er war anders, lustiger, aber diese Lustigkeit beängstigte mich, er schien an irgendwelchen Strippen zu hängen, an denen ein Fremder zog, er war nicht er selbst. Ich wollte nie, dass mein Sohn mich so erlebt.
    Mein Vater. Typischer Achtundsechziger. Damit meine ich nicht das Saufen. Er war in jener Hinsicht typisch für seine Generation, als er grundsätzlich alle Nachgeborenen für Pfeifen gehalten hat. Das tut zwar jede Generation mehr oder weniger, aber so eitel wie die Achtundsechziger war noch keine.
    Na ist doch wahr. Die Achtundsechziger. Die Kindheitsdiebe. Vaterdiebe. Sie hassen alle, die jünger sind. Die Fünfzigjährigen sind an denen nie vorbeigekommen und hassen nun ihrerseits alle und speziell alle zwischen fünfunddreißig und vierzig. Und wir, die auf die vierzig zugehen, kümmern uns um all das nicht, weil uns alte Säcke egal sind. Sie sollten uns aber nicht egal sein, denn die alten Säcke bestimmenviel mehr, als alte Säcke normalerweise bestimmen sollten.
    …
    Die einzigen Menschen, mit denen ihr in Wahrheit auf einer Ebene, auf einer Wellenlänge sein könnt, ich meine, mit denen ihr wirklich dieselbe Sprache sprecht, selbst wenn ihr die Betreffenden gar nicht so wahnsinnig gut leiden könnt: plus minus fünf Jahre.
    Fünf Jahre älter als du, fünf Jahre jünger als du, das sind die, von denen du eventuell verstanden werden kannst. Na aber sicher doch. Wenn du Mitte dreißig bist, rede mal mit einer Frau Anfang zwanzig. Das sieht nur so aus, das hört sich nur so an, als wäre das dieselbe Welt, dieselbe Sprache. Sie können sich anpassen. Sie können so tun, als seien sie wie du. Du kannst es nicht. Du kannst bloß einem Fünfzigjährigen vormachen, du wärst wie er. Der geht wiederum dir auf den Leim.
    …
    Bazong und wuff.
    …
    Mist … hier kommt heute nichts Vernünftiges mehr, glaube ich. Ich mache Schluss. Morgen um neun bin ich wieder da. Wers versäumt, ist selbst schuld.

 
    3
     
    … weil ich mir Sendungen wie CSI nicht ansehe. Ich sehe kaum fern. Warum sollte ich? Die guten Filme zeigen sie selten. Es gibt gute. Allein der italienische Film in den
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