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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)
Autoren: Michael Innes
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Kapitel 1
    Philip Ploss zahlt seine Rechnungen
    Friedlich wäre das erste Wort gewesen, mit dem ein Grundstücksmakler das Anwesen von Philip Ploss beschrieben hätte. Alt und solide, die modernen Umbauten diskret verborgen, selbst der exzellente Zustand von einem Hauch Ungepflegtheit maskiert, war Lark Manor der Inbegriff eines englischen Landhauses. Nur fünf Minuten waren es zu Fuß zum Bahnhof, der sich harmonisch in die Landschaft schmiegte, und von dort fuhren die schnellsten Züge – so außerordentlich schnell, daß man kaum glauben mochte, wie sanft sie fuhren – in gerade einmal einer halben Stunde nach London.
    Das war genau die richtige Entfernung. In der halben Stunde, die ihn zu den Vergnügungen seines Clubs, zur Matinee und zum Abendessen mit einer befreundeten Dame brachte, gelangen Philip Ploss ohne Mühen fünfzehn bis zwanzig Gedichtzeilen. Diese Verse, die bisweilen von den Freuden einer sanften Zugfahrt handelten, die einen vom Getriebe der Großstadt zum Frieden eines ländlichen Heims brachte, ließ er im Club dem einen oder anderen Bekannten zukommen, der ein literarisches Magazin herausgab. Und zwei oder drei Wochen später erschien das Gedicht dann, und in der Post fand sich ein Scheck, der für die Kosten von Matinee und Abendessen reichte, und vielleicht blieb sogar noch ein klein wenig für anderes. Alle drei oder vier Jahre stellte ein anderer Bekannter, der im Verlagswesen tätig war, aus diesen Versen einen schmalen Band zusammen, der Philip Ploss nichts kostete, sondern im Gegenteil sogar noch Tantiemen einbrachte, was sich in manchen Fällen auf mehr als fünf Pfund belief. Das, zusammen mit den etwa zweitausend jährlich, die das Erbe aus dem väterlichen Teegeschäft abwarf, sorgte dafür, daß Lark auch weiterhin friedlich blieb.
    Denn Frieden muß immer wieder neu erworben werden – das Schicksal schenkt ihn uns nicht, sondern vergibt nur eine befristete Lizenz. Philip Ploss verstand das und zahlte bar auf die Hand. Er genoß es, wenn er über den frisch gemähten Rasen ging; er machte sich tiefe Gedanken über das Wesen von Löwenzahn und Butterblume; er saß gern auf dem Weidezaun und ließ sich von der kontemplativen Art der Kühe inspirieren. Aber er wußte, selbst ein Leben in solcher Bescheidenheit gab es nicht kostenlos. Der Arzt, der Weinhändler, der Börsenmakler, der Mann, der nach dem Abfluß sah, wollten Geld. Aber dafür taten sie ihr Bestes, um Philip Ploss und die Umgebung, die er liebte, zu erhalten, sie sorgten dafür, daß er einen Zaun hatte, auf dem er sitzen konnte, und daß die Butterblumen weiter in den Himmel wuchsen.
    Soweit es friedliches Leben auf dieser Welt überhaupt gab, schien Philip Ploss seines friedlichen Lebens sicher. Nicht nur weil er ein gebildeter, wohlhabender, umsichtiger Mensch war, hatte er, statistisch gesehen, bessere Aussichten als die meisten, daß ihm die unangenehmeren Dinge des Lebens erspart blieben – obwohl ein Außenstehender es wohl durchaus so gesehen hätte. Und auch die zurückgezogene Art war nicht der einzige Grund. Ploss, wie er heiter durch Felder und Auen streifte, schien ein Mann, dem nichts etwas anhaben konnte – er schien immun gegen die Gefahren von Leidenschaft und Ehrgeiz, geborgen in der Gewißheit, daß tüchtige Banken, wackere Militärs, geschickte Ärzte und Psychologen bereitstanden, ihn zu schützen, wenn er sie brauchte. Seine größte Sicherheit jedoch – das spürte man instinktiv, auch wenn es nicht leicht in Worte zu fassen war – war sein Wohnzimmer in Lark. Der Raum war vollgestopft mit Büchern und Grammophonplatten und Bildern, und in diesen Dingen, in ihrem Wesen so eindeutig dauerhaft und beständig, ging Ploss ganz auf. Bei jedem von uns greift die Persönlichkeit unmerklich auch auf die Dinge und Menschen unserer Umgebung über, und man konnte – wie bei einem Insekt voller Chlorophyll – nicht eindeutig sagen, wo Ploss endete und wo anderes in seiner eigenen Identität begann. Man hätte sich vorstellen können, daß Ploss in einer größeren Krise einfach ganz in seine Bücher und Platten und Bilder eintauchte, daß er in ihrer Beständigkeit überwinterte, bis wieder bessere Zeiten kamen, und daß er sich auflöste wie die grinsende Katze in Alices Wunderland.
    Aber die Cheshirekatze kam aus einer Zauberwelt, und auch die Vorstellung, Ploss könne in seine Bücher und Grammophonplatten eingehen, gehört ins Reich der Magie. Die Vernunft sagt, daß es Dinge gibt, vor denen die
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