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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick
Autoren: Susanne Fuelscher
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wollte er mich vor seinem Kapuzenfreund lächerlich machen, oder er legte es darauf an, noch heute nacht dem großen Abenteuer zu begegnen.
    »Hans kennt die Hamburger Szene nicht.«
    »Du doch auch nicht.«
    »Ja eben!«
    Ich setzte mein Glas so heftig an die Lippen, daß meine Nase fast im Bier ertrank. Paul und Hans. Plötzlich war ich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, mich einfach auf meinem Bett auszustrecken, und der Lust auf eine wilde Nacht. Tanzen und trinken und den beiden Provinznasen zeigen, was eine richtige Stadt war.
    Wir bezahlten vorn am Tresen, die Kapuze war im Stehen größer und kräftiger, als ich vermutet hatte. Mit Hans’ Polo fuhren wir dann auf den Kiez, und einen kleinen Moment lang dachte ich mit Entsetzen daran, daß die unerledigten Videokassetten wahrscheinlich gerade dabei waren, sich unaufhaltsam zu vermehren, und wenn ich am frühen Morgen nach Hause käme, würden mir die Videobänder schon auf dem Flur entgegenquellen …
    Im »Lounge« war es heiß und voll, und die Musik war so laut, daß wir Gott sei Dank nicht zu reden brauchten. Ich fühlte mich wohlig träge, nur von der unbändigen Lust befallen, mir einen anzupicheln. Normalerweise trank ich nicht. Vielleicht mal ein Glas Wein zum Essen, aber es kam mir nicht in den Sinn, Alkohol in mich reinzuschütten, damit ich eine andere wurde.
    Ohne mich vorher zu fragen, brachte Paul mir ein Glas Sekt, wohingegen Hans und er sich ein Bier genehmigten. In seiner Welt gab es wohl Herren- und Damengetränke – eigentlich eine Frechheit. Ich trank hastig und beguckte die zappelnde und zuckende Menschenmenge. Wenn ich jetzt tanzen ging, würde ich mit Sicherheit eine Stunde wegbleiben und die Herren sich selbst überlassen.
    »Alles okay?« schrie ich den Jungs zu, die in dem fahlen Licht seltsam wächsern aussahen.
    »Hans hat an eine etwas andere Musik gedacht«, rief Paul.
    »Woran denn? Techno? Hip-Hop?«
    »Jedenfalls nicht so ein langsames, angesoultes Jazz-Zeug.«
    »Ignorant!«
    »Aufgeblasene Ziege!« Paul lachte und nahm mich in den Arm.
    »He, he!« Ich machte mich los, leerte mein Glas und holte eine zweite Runde Getränke. Endlich war das Eis gebrochen und Paul wieder der alte.
    Als ich zurückkam, hüpfte Paul zu meinem Erstaunen auf der Tanzfläche herum. Ich drückte Hans zwei Biergläser in die Hand und nippte an meinem Tequila.
    Trotz lärmender Bässe war mir das Schweigen unangehm.
    »Na? Schneckenhaus?« brüllte ich Hans schließlich ins Ohr und zog an seiner Kapuze.
    »Genau!« Er pustete das Wort etwas feucht in mein Ohr, unverkennbar Kenzo.
    »Und wieso Kenzo?« Meine Stimme kam mir heiser vor, und ich war mir nicht sicher, ob die einzelnen Silben nicht von der Musik verschluckt worden waren.
    »Manchmal will auch ich was Besonderes sein.«
    Ich schwieg lieber. Wie konnte man so was nur von sich selbst sagen und dann auch noch bei einem aufdringlichen Duft wie Kenzo?
    »Tanzt du nicht?« Ich hatte wieder seine Tröpfchen am Ohr und schüttelte der Einfachheit halber nur den Kopf. Warum sollte ich ihm auch groß erklären, daß mir der Alkohol schon zusetzte und ich in diesem Zustand selten Lust auf Bewegung – welcher Art auch immer – hatte.
    »Und du?«
    »Tanze nie. Ich mach mich doch nicht lächerlich.«
    »Ach so«, sagte ich nur und dachte, das hast du bereits getan.
    Dann ließ ich ihn stehen und ging aufs Klo. Während ich mir die Lippen nachpinselte, fragte ich mich ernsthaft, was ich hier eigentlich wollte. Ausspannen? Vor der Arbeit flüchten? Mir einen der Jungs erotisch trinken? Keine Ahnung, warum ich auf einmal fünf Mark aus dem Portemonnaie kramte und Kondome zog. Eigentlich konnte ich fürs gleiche Geld einen Haufen Lakritze kaufen, die mit Sicherheit viel besser schmeckte. Oder eine Schachtel Zigaretten. Für Notfälle.
    Als ich wieder rauskam, gönnte ich mir einen zweiten Tequila an der Bar. Obwohl mir fast schon übel war, genoß ich das Flirren im Kopf, tanzte doch einmal – kein Paul zu sehen, nur Hans hatte am Rand der Tanzfläche Stellung bezogen und lehnte lässig an einer Säule. Ich torkelte geradewegs auf ihn zu, hatte dann seine Hand auf meiner Schulter. Fast grob schob er mich durch die Menge Richtung Ausgang.
    »Wo ist Paul?«
    »Müde. Ich fahre dich nach Hause.«
    Ich leistete keinen Widerstand. Draußen war es plötzlich schwülwarm; in der Ferne grummelte es.
    »Das könnte noch was geben«, sagte Hans, ohne zu wissen, was er da eigentlich redete.
    Ich antwortete
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