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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick
Autoren: Susanne Fuelscher
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plazierte. Ich warf ihr ebenfalls ein knappes »Hallo« hin und überlegte dann, woher ich sie kannte.
    »Wir haben zusammen Anglistik studiert«, erklärte Paul seinem Freund, »und Germanistik«, und ich nickte dazu, als habe er etwas sehr Bedeutsames gesagt.
    Dann fiel es mir ein: Ich kannte Hans nicht. Er hatte nur eines dieser unauffälligen Gesichter, die man schon sein ganzes Leben zu kennen glaubt. Eine Nase, zwei Augen und einen Mund, vermutlich verwaschen aschblonde Haare – genauer hätte ich ihn nicht zu beschreiben gewußt, wäre er zum Beispiel im Park über mich hergefallen.
    Paul setzte sich mir gegenüber, eine unangezündete Zigarette klebte zwischen den Lippen. »Dürfen wir?«
    Ich nickte artig. Eigentlich gehörten Spontanwiedersehen dieser Art nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, zumal wenn irgendwelche undefinierbaren Kapuzenfreunde als Assistenten anwesend waren. Vor denen mein Leben der letzten vier Jahre in Kurzform auszubreiten lag mir nicht besonders. Außerdem hatte ich schon den letzten Schluck Bier intus. Und außerdem wollte ich nach Hause, aber da ich es nicht fertigbrachte, Paul zu enttäuschen, blieb ich sitzen. Braves Mädchen. Die Bimmelbahn hatte so einiges bewirkt.
    Paul fixierte mich aus dunkelbraunen Augen und wartete ab, wasich sagen würde. Er schien zu lächeln, obwohl sich die Haut um seine Augen kein bißchen bewegte. Als ich immer noch keinen Ton von mir gab, meinte er schließlich, daß die Kapuze, die mich jetzt ebenfalls anstarrte, ein Sandkastenfreund sei, erst kürzlich nach Hamburg gezogen. Es interessierte mich brennend, also sagte ich: »Ach, ist ja interessant.«
    Die beiden bestellten Bier, was schon nach kurzer Zeit gebracht wurde. Die Kapuze moserte über die nicht vorhandene Schaumkrone, wir prosteten uns zu, und da Paul keine Anstalten machte, etwas von sich aus zu erzählen, fragte ich ihn, was er denn so treibe.
    Während die Kapuze ihre Kapuze abnahm (unter der tatsächlich aschblondes Haar zum Vorschein kam) und sich in den Anblick ihres Bierglases versenkte, sagte Paul nur einen einzigen Satz: »Ich bin solo, ich fahre einen verdreckten Golf, und wenn ich nicht gerade gegen Honorar Hochzeitszeitungen zusammendichte, jobbe ich bei der Post.«
    Fast wie früher. Es beruhigte mich beinahe, daß es noch mehr Menschen auf dieser Welt gab, die nicht im Freistil durch das Karriereschwimmbecken schossen.
    »Komm, laß uns über was anderes reden. Vergangenheit ist langweilig.« Paul langte gierig nach seinem Bierglas, um dann nur kurz daran zu nippen.
    »Und du?« Mit der Professionalität einer Fernsehmoderatorin wandte ich mich Hans zu.
    »Dealer«, sagte er und wollte sich über seinen Witz halb totlachen.
    »Ist ja beeindruckend.« Statt ihn anzusehen, guckte ich durch die milchige Scheibe in das dunkle Loch der Nacht.
    »Hans kauft Weine ein. In Italien.«
    »Auch beeindruckend«, fügte ich hinzu. »Ich lebe davon, daß ich Kuhaugen seziere.«
    Die beiden Jungs lachten, was ich absolut nicht begreifen konnte, nicht mal zu dieser Uhrzeit und mit einem Preiselbeercamembert im Magen.
    Irgendwie wollte unsere Unterhaltung nicht in Gang kommen,und ich fragte mich, ob es wohl an mir lag – vom ersten Moment an hatte ich es nicht auf ein Gespräch angelegt.
    Was ja auch kein Wunder war. Zwei Freunde, die ein Bier trinken gingen, waren meines Erachtens zwei Freunde, die tatsächlich nichts anderes im Sinn hatten, als sich zwei Halbe zu genehmigen, fünf Zigaretten zu rauchen und sich damit zu beruhigen, daß haufenweise Gleichgesinnte um sie herum saßen, die ebenfalls so taten, als sei dies das wahre Leben, während die Leute, die das falsche Leben lebten, längst im Bett lagen. Ich mußte plötzlich grinsen.
    »Was hast du?« fragte Paul.
    »Nichts. Ihr seht nur gerade so aus, als wärt ihr mit dem Schuppen hier verwachsen.«
    »Häh?« machte Hans, und Paul erwiderte ziemlich giftig, warum ich denn überhaupt hier säße, normalerweise ginge ich bestimmt nur in Edelläden.
    »Kommt drauf an«, sagte ich.
    »Worauf zum Beispiel?« wollte Paul wissen.
    »Auf so einiges. Und wie du dich vielleicht noch erinnerst, wohne ich ja gleich um die Ecke.«
    »Dann zeig uns doch mal eine deiner Designerkneipen.«
    »Ich wüßte nicht, wozu«, sagte ich knapp und studierte Pauls Gesicht, das plötzlich etwas Spöttisches und zugleich Verwegenes hatte. Die Stirn in Falten gelegt, die Mundwinkel leicht nach unten gezogen, so hatte ich ihn früher nie erlebt. Entweder
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