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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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Duftmischung aus nicht abgespültem Geschirr und verschüttetem Bier.  
    Mir gegenüber sitzt mein Exmitbewohner Tobi und hat auch Feierabend. Doch, es stimmt wirklich alles. Trotzdem würde ich Tobi jetzt gerne an die Wand werfen, die Bedienung mit dem vollen Tablett umrempeln, schreiend auf den Scherben rumtrampeln, anschließend aufs Klo stürmen und dort neben das Pissoir strullen. Natürlich lasse ich mir das nicht anmerken. Nach außen bin ich gefasst, geradezu ein Sonnenschein.  
    »Du hast schlechte Laune, was?«  
    »Ich habe keine schlechte Laune, Tobi. Du hast schlechte Laune!«  
    »Ach ja? Du sitzt hier rum, zerreißt einen Bierdeckel nach dem anderen, trittst mir dauernd gegen das Schienbein, ohne es zu merken, und willst nicht Heiße-Öfen-Quartett spielen.«  
    »Na und? Das heißt noch lange nicht, dass ich …«  
    »Jeden Montag das Gleiche, Krach. Du hast schlecht geschlafen, einen halben Tag mit Elvin und Adrian verbracht und behauptest, dass du keine Lust auf Heiße-Öfen-Quartett hast.«  
    »Dann hab ich halt schlechte Laune. Okay. Und was jetzt?«  
    Ich weiß, dass ich unausstehlich bin. Aber ich kann nichts dagegen machen. Nichts außer in diesem Café zu sitzen und mich von Tobi überreden zu lassen, Heiße-Öfen-Quartett zu spielen. Wie an jedem Montag. Nur läuft es heute besonders zäh.  
    »Bestell dir ein Pils.«  
    »Hör mir auf mit Bier!«  
    »Wieso denn das? Ach, wegen Pinklbräu.«  
    »Jap.«  
    »Umso mehr solltest jetzt dafür sorgen, dass du nicht mit negativer Einstellung zu Bier ins Bett gehst.«  
    »Völlig unmöglich. Was glaubst du, wie du dich fühlen würdest, wenn du den ganzen Tag von Elvin und Adrian hörst, dass du beckenbaueresk sprechen sollst, damit das Bier local touch bekommt?«  
    »Verstehe.«  
    Tobi kennt Elvin und Adrian fast so gut wie ich, weil sie, wie gesagt, gleich neben unserer WG gearbeitet und in ihren Pausen dauernd ungebeten in unserer Küche herumgehangen haben. Er weiß, wie sie dreingucken, wie ihre Stimmen klingen und welche Pein allein ihre Anwesenheit auslösen kann. Ich finde, er könnte noch eine Spur mehr Mitleid haben.  
    »Und weißt du, was ich heute Nacht geträumt habe, Tobi?«  
    »Nö.«  
    Ich berichte von der Billigrestaurantküche und den beiden Felsbrocken und übertreibe ein wenig bei der Schilderung der Hitze und des Brockenumfangs. Tobi scheint immer noch nicht beeindruckt, was meine Laune noch ein paar Kilometer mehr Richtung Erdmittelpunkt zieht.  
    »Okay, Krach, aber wenn ich dir erzähle, welches Medikament unsere Praktikantin heute in der Apotheke aus Versehen der alten Frau Krusenbaum mitgegeben hat, dann wüsstest du, dass ich den schlimmeren Tag hatte.«  
    »Ha.«  
    »Du sagst ha . Wenn ich nicht zufällig noch mal in ihre Tüte geschaut hätte, dann wären mit Frau Krusenbaum Dinge passiert, dagegen ist beckenbaueresk Kinderkram.«  
    »So?«  
    »Hautverfärbung ins Lila-Grünliche, abwechselnd Haarwuchs und -ausfall auf beiden Armen, Appetit auf lebende Kröten, zwanghaftes Moonwalken, Geschlechtsumwandlung, Ausbildung einer zweiten Nase, die sehen kann, und am Ende langsame Auflösung des gesamten Körpers in eine haferbreiähnliche Flüssigkeit, die nach Biber-Exkrement riecht.«  
    Nein, ich kann noch nicht lachen, aber ich glaube, ich kann zumindest schon wieder an Lachen denken.  
    »Gut, spielen wir Heiße-Öfen-Quartett.«  
    »Das ist doch ein Wort.«  
    Ich schließe kurz die Augen und höre Tobis Kartenmischgeräuschen zu. Erst jetzt spüre ich, wie weh mein Rücken tut. Ich muss die ganze Zeit übelst angespannt und noch dazu in einer sehr eigentümlichen Haltung im Aufnahmeraum herumgesessen haben. Das ist umso schlimmer, weil ich keinen Sport mehr mache, seit ich als Sprecher ausgebucht bin. Meine karge Freizeit vertingele ich mit Ersatz- WG -Café-Gesitze und Gesangsstunden. Ja, Gesangsstunden. Irgendwann will ich ja schließlich wieder was Anspruchsvolleres machen, als Elvin- und Adrian-Texte zu sprechen. Und auch wenn ich mehr und mehr glaube, dass die Gesangsstunden nichts bringen, geben sie mir wenigstens das Gefühl, dass ich im Hintergrund an etwas Großem arbeite.  
    Doch mein Rücken kann noch so weh tun, ich würde in diesem Augenblick keine Massage der Welt gegen eine Partie Heiße-Öfen-Quartett mit Tobi tauschen. Er teilt aus, ich bestelle Bier. Nein, ich würde die Bedienung jetzt nicht mehr umrempeln. Erstens hat sie gerade gar kein volles Tablett,
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