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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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brauche als die Immer-das-Gleiche-Käufer, fahre ich dann auf dem Weg zur nächsten Warengruppe wieder rein.  
    Jetzt wird es allerdings anspruchsvoll. Die Fruchtjoghurts. Das sind so viele, dass ich mir ein Konzept zurechtlegen musste, um nicht durcheinanderzukommen. Ich habe mit den ungesündesten, künstlichsten, aromastoffverseuchtesten angefangen, und taste mich jetzt langsam über die etwas besseren zu den naturbelassenen Ökoprodukten mit echten Früchten und so vor. Bei der ursprünglichen Anordnung des Joghurtregals hieß das, dass ich mich langsam von rechts nach links durcharbeiten konnte. Jetzt haben sie aber dummerweise vor zwei Wochen das ganze Regal komplett umgeräumt und alles nach Marken sortiert. Ich habe den Marktleiter vorsichtig gefragt, ob man das nicht wieder rückgängig machen kann, aber der behauptete, die Kunden wollten das so. Jetzt muss ich wieder mit Adleraugen umherspähen, bis ich die unbekannten Joghurts finde. Und kalt ist das hier, zwischen den zwei Kühlregalen und ich nur im T-Shirt. Ich hab schon richtig Gänsehaut.  
    Anschließend in der Kassenschlange bekomme ich fast Lust, mich an meinen Vordermann zu schmiegen, reiße mich aber zusammen und denke an die Sonne, die draußen auf mich wartet.  
    ***  
    Ratatataklack, ratatataklack, Ratatataklack …  
    »Du bist ganz schön spät dran.«  
    Anton trommelt mit den Fingern der linken und dem Bleistift in seiner rechten Hand auf den Tisch. Vorwurfsvoller Blick, und einen Stuhl bietet er mir auch nicht an. Man könnte meinen, er wäre mein Chef und das Valentin sein Büro. Dafür ist es wenigstens schön warm hier. Ich bin immer noch durchgefroren von der Kühlregalreihe. Nächstes Mal muss ich entweder doch eine Jacke mitnehmen, oder ich darf nicht mehr so lange brauchen.  
    »Hör mal, Anton, ich komme hier nur hin, weil ich will. Und ich komme, wann ich will, okay?«  
    »Und warum willst du hierherkommen?«  
    »Weil ich schön gemütlich und in Ruhe einen Kaffee trinken will, damit ich entspannt bin, wenn ich gleich in meine Gesangsstunde gehe.«  
    »Aber dann kannst du doch auch früher kommen.«  
    Zum wiederholten Mal Notiz an mich selbst: Nie wieder mit einem Stammgast in meinem Lieblingscafé anfreunden.  
    »Nein, kann ich nicht. Ich kann nur so kommen, wie es mein Terminkalender zulässt.«  
    »Aber warum kaufst du dir dann keinen anderen Terminkalender?«  
    Nachtrag: Und wenn schon mit jemandem anfreunden, dann nicht mit einem kleinen naseweisen siebenjährigen Grundschüler. Auch wenn er mir noch so sehr leid tut, weil sein geschiedener Vater ihn hier jeden Dienstag beim Wirt abliefert, damit ihn eine Stunde später seine Mutter abholt.  
    »Anton, das verstehst du erst, wenn du groß bist. Und überhaupt, ich habe länger als die meisten Erwachsenen ohne Terminkalender gelebt, nur damit du es weißt.«  
    »Ich will so was nie haben.«  
    »So, jetzt zeig ich dir was. Mach mal deine Schultasche auf, und … ha, hier ist er schon. Dein Stundenplan. Guck, hier stehen alle deine Stunden drin, und du darfst zu keiner zu spät kommen. Du hast also sozusagen auch einen Terminkalender.«  
    »Aber warum nennen sie das dann Stundenplan und nicht Terminkalender?«  
    Gio, der Valentin-Besitzer, der dienstags immer selbst bedient, serviert meinen Kaffee auf den kleinen runden Tisch und lässt sich dabei extra viel Zeit. Würde ich auch an seiner Stelle. So einem Anton-Gespräch zuzuhören macht sicher einen Heidenspaß, wenn man nicht derjenige ist, der die Fragen beantworten muss. Ich nehme einen Schluck und versuche mich für Antons nächste Fragen in den Auto-Antwort-Modus zu schalten. Das ist allerdings sehr schwer, weil so ein Siebenjähriger ständig die Themen wechselt. Anton kommt mühelos von Terminkalendern zu Rennautos, von Rennautos zu Zebras und von Zebras zu Salatschleudern und von Salatschleudern zu indirekten Freistößen. Und das alles in einem Höllentempo.  
    »Manchmal hörst du mir gar nicht richtig zu, Oliver.«  
    »Doch, du hast gesagt, ähm, indirekte Freistöße sollten nur Leute mit einem harten Schuss treten.«  
    »Nein.«  
    »Tschuldigung. Stimmt. Quatsch.«  
    »Siehst du.«  
    »Okay, Anton, ich bin heute etwas abwesend. Kann halt mal passieren. Ich hab einen harten Job, und …«  
    »Ich glaube, du bist verliebt.«  
    »Wie bitte? Ich verliebt? Wie kommst du denn darauf?«  
    »Du schaust so wie meine Mama, als sie das letzte Mal verliebt war.«  
    »Ach,
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