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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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das jetzt damit zu tun?«  
    »Nichts, aber du hast gesagt, dass ihr euch sowieso nicht mehr sehen werdet. Also, wie viele Stockwerke, glaubst du?«  
    »Keine Ahnung, 100 vielleicht? Weißt du, eine ganz kleine Chance gibts vielleicht schon noch, dass wir uns wiedersehen.«  
    »189 Stockwerke. Und was ist die kleine Chance?«  
    »Ich habe gesehen, in welches Café sie gegangen ist. Vielleicht geht sie da öfter hin.«  
    »Aber nur 163 Stockwerke davon sind bewohnbar. Kann schon sein, dass sie da öfter hingeht. Und weißt du, wie hoch das höchste Gebäude der Welt ist?«  
    »Keine Ahnung. Ich …«  
    »828 Meter.«  
    »Ich könnte ja ab und zu mal bei dem Café vorbeischauen, oder was meinst du?«  
    »Mit Antenne sind es sogar noch ein paar Meter mehr. Ab und zu ist zu unsicher. Wenn, dann musst du schon die ganze Woche jeden Tag da drin sein.«  
    »Wo denkst du hin. Ich muss arbeiten. Ich kann mich doch nicht tagelang einfach ins Café setzen.«  
    »Weißt du, wie hoch der höchste Berg der Welt ist?«  
    »Ja, 8848 Meter.«  
    »Stimmt. Woher weißt du das?«  
    »Das weiß jeder.«  
    »Und der zweithöchste?«  

Mittwoch  
     
    »Ich hätte gerne … krächz, hust.«  
    Die Bedienung winkt mitleidsvoll ab. Sie weiß genau, was ich brauche. Wenige Augenblicke später steht ein dampfender Becher Honigmilch vor mir. Ich habe mir tatsächlich gestern zwischen den Kühlregalen eine kleine Erkältung mit Halsweh und Husten eingefangen. Der Supergau für einen Sprecher. Ich musste sämtliche Termine für den Rest der Woche absagen. Zwar haben es alle von Caio bis hin zu Elvin und Adrian freundlich aufgenommen und mir gute Besserung gewünscht, aber keiner konnte das Entsetzen in seiner Stimme so gut verbergen, dass ich es nicht mitbekommen hätte. Mindestens drei Tonnen schlechtes Gewissen drücken auf meine Stimmung. Aber auch das hält mich nicht davon ab, nun doch das zu tun, was Anton vorgeschlagen hat: den Rest der Woche im Coffee & Bytes zu sitzen und darauf zu warten, dass die Frau mit dem Rollkoffer noch mal kommt.  
    Am Anfang dachte ich, das ist zu gaga, um es wirklich zu machen, aber ich habe immer wieder darüber nachgedacht und fand am Ende, dass jemand, der sich vorgenommen hat, alle Artikel eines Supermarkts mindestens ein Mal zu kaufen, ruhig auch ein paar Tage in einem Café darauf warten kann, ob eine bestimmte Frau mit Businesskostüm, Pumps und Rollkoffer kommt.  
    Oh, dieses Gesicht mit den wunderbaren Lachgrübchen. Jeden Tag muss ich mehr daran denken. Manchmal bilde ich mir sogar ein, ich würde mich an ihren Duft erinnern. Jeder Satz, den wir gewechselt haben, klingt in meinen Ohren nach. Und ich sehe jetzt ein, dass Anton ein bisschen recht hatte. Dass sie ärgerlich wurde, heißt zwar nicht, dass sie verliebt in mich war, wie seine Grundschul-Sophia in ihn, aber, auch wenn es unglaublich klingt, irgendetwas ist von ihr in mich hineingewachsen. Und das wäre wahrscheinlich nie passiert, wenn wir einfach nur »hallo« gesagt hätten. Sonst finde ich jedenfalls keine Erklärung dafür, warum ich seit Tagen so von dem einen Thema besessen durch die Gegend taumele, als wäre ich der Anfang eines Groschenromans.  
    Und überhaupt, die Tatsache, dass ich ausgerechnet jetzt eine Erkältung kriege, also, da kommt doch eindeutig dieses Schicksalsdings ins Spiel, oder? Jedenfalls gibt es im Moment für mich einfach nur diesen einen Platz, der sich richtig anfühlt.  
    Eine Sache hat das Coffee & Bytes mit dem Valentin gemeinsam: Es fällt nicht auf, wenn man dort den ganzen Tag rumsitzt. Es gibt sogar jede Menge Leute, die das tun. Nur braucht man hier, im Gegensatz zum Valentin, einen Laptop. Die Ganztagssitzer arbeiten hier nämlich alle an irgendwas Wichtigem, das irgendwie mit Internet zu tun hat. Ich habe auch meinen Laptop mitgebracht und versuche mich unauffällig einzufügen. Dass ich in Wirklichkeit nur sinnlos im Internet rumsurfe, während ich ein Heißgetränk nach dem anderen in mich hineinkippe und nebenbei heimlich ein Buch lese, kriegt hoffentlich keiner mit.  
    Leider hält mein Laptopakku nicht einmal eine Stunde durch. Deswegen muss ich an einen der Stehtische, weil es dort Steckdosen gibt. Ziemlich unbequem. Andererseits habe ich so die Tür bestens im Blick und würde die Frau mit den Grübchen und dem Rollkoffer sofort sehen, wenn sie reinkommt.  
    Was mir am meisten zu schaffen macht, ist die Musik. Dieses Elektronik-Sphärenklang-Gewaber im
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