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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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Hintergrund wäre ja noch auszuhalten, aber das Computerschlagzeug, das dazu die ganze Zeit »drrrrrrrrrrrrzingzingdrrrrrrrzingzingzingzingdrrrrrrrrrrrrrrrrrr« macht, bringt mich irgendwann um den Verstand. Keine Ahnung, wie man bei so was arbeiten kann. Ich habe die Bedienung gefragt, ob sie nicht was anderes auflegen kann, aber die meinte, das wäre Chill-out-Musik und die Gäste wollten das so. Na ja. Ich frage mich nur, warum die meisten der Laptop-Menschen dann so riesige Kopfhörer auf den Ohren haben. Ich werde mir für morgen auch einen besorgen. Und ich bringe ein Verlängerungskabel mit.  
    Wenn mir ganz langweilig ist, gucke ich manchmal verstohlen nach rechts und links und sehe nach, was die anderen so treiben. Meistens sind sie gerade auf Facebook oder Twitter und schreiben Sachen rein. Im Kern sind es immer Varianten dieser drei Sätze:  
    1. trinke jetzt einen latte macchiato. lecker  
    2. mist, netzteil vergessen, muss noch mal nach hause  
    3. scheiße! latte macchiato übers macbook gekippt. geht aber noch  
    Könnte natürlich auch sein, dass das Geheimcodes sind, keine Ahnung, nicht meine Welt. Ich trinke meine Honigmilch aus, verlagere mein Gewicht auf die andere Pobacke, lasse mein eingeschlafenes Bein pendeln und lese das nächste Kapitel.  

Donnerstag  
     
    Heute ist alles schon viel besser. Mit dem Kopfhörer, den ich mir aus dem Studio ausgeliehen habe, bin ich nicht mehr der Chill-out-Musik ausgeliefert und höre stattdessen ein Hörbuch über meinen Laptop. Das mitgebrachte Verlängerungskabel reicht so weit, dass ich in einem der gemütlichen Sessel sitzen kann, und meine Halsschmerzen lassen auch langsam nach. Noch eine gute Nacht, und ich könnte vielleicht sogar schon morgen wieder arbeiten.  
    Hoffentlich kommt sie heute. Auch wenn ich inzwischen schon wie ein echter Coffee & Bytes-Profi rüberkomme, lange halte ich das hier nicht mehr aus. Am Anfang fand ich es ja noch schön, mal wieder richtig Zeit für Bücher zu haben, aber jetzt reicht es. Ich habe mir aus Langeweile sogar schon selbst einen Facebook-Account angelegt und »ich trinke jetzt eine honigmilch« an meine Facebook-Pinnwand geschrieben. Dabei ist draußen die ganze Zeit herrlichstes Frühlingswetter, aber da muss ich jetzt durch.  
    Eine Stunde später ist mein Hörbuch zu Ende. Ich behalte den Kopfhörer trotzdem auf, damit ich nicht die Drrrrrrrrrrrrzing-Musik hören muss, schreibe »tolles wetter heute. sollte mal rausgehen« an meine Facebook-Pinnwand und sehe mich nach der Bedienung um, weil mein Kamillentee alle ist. Hm, vielleicht sollte ich sie doch mal fragen … Bis jetzt habe ich mich nicht getraut, weil ich glaube, dass sie mich, seit ich um andere Musik gebeten habe, nicht mehr leiden kann. Aber eigentlich kann es mir egal sein. Ich mach das jetzt einfach.  
    »Bitte noch einen Kamillentee mit Honig.«  
    »Okay.«  
    »Ach, und eine Frage, also, kommt hier ab und zu eine junge Frau mit Businessklamotten her? Sie hat braune Haare und manchmal einen Rollkoffer, und … Hm, mehr weiß ich jetzt ehrlich gesagt auch nicht, ich dachte nur …«  
    »Ja, ja, ich weiß schon, wen du meinst. Die kommt genau zwei Mal in der Woche. Kann man fast die Uhr nach stellen.«  
    »Ach, wirklich?«  
    Mein Herz macht einen Hüpfer, der zu groß ist, als dass ich sagen könnte, es täte mir gut.  
    »Alle sagen, das ist eine Venture-Capital-Managerin. Aber es hat keinen Sinn, sie wegen Geld für Internet-Projekte anzusprechen, sag ich dir gleich. Haben schon ein paar versucht und sind abgeblitzt. Die macht hier wohl immer nur Pause.«  
    »Ah ja, danke. Und, hm, wann kommt sie das nächste Mal?«  
    Sie guckt auf die Uhr, sieht aus dem Fenster und grinst.  
    »Genau jetzt.«  
    Ich reiße den Kopf herum und sehe ebenfalls aus dem Fenster … Nein! Tatsächlich! Sie! Ist! Es!  
    Sie steht mit ihrem Rollkoffer auf der anderen Seite der Straße und wartet auf die Ampel. Ich sage danke, stürze zurück an meinen Platz, setze mir den Kopfhörer auf und verstecke mich hinter meinem viel zu kleinen Laptopbildschirm. Mein Blut pocht in jedem Winkel meines Körpers, selbst an Stellen, an denen meines Wissens gar keine Arterien verlaufen. Mit einem Schlag wird mir klar, dass ich mir überhaupt keinen Plan zurechtgelegt habe für den Fall, dass sie tatsächlich kommt. Verdammte Hacke. Sie tritt jeden Moment durch die Tür, und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Hallo, komplett nichtsnutzige Bürotrine ?
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