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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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Gesicht ist wieder da. Genauso groß und genauso grün wie zuvor. Es ist nur nicht Rüdiger. Es ist … Kurt!  
    Ich stoße einen Schreckensschrei aus.  
    Franziska hat ihr Handy am Ohr.  
    »Gut gemacht, Kurt … Ja, mit Bravour.«  
    Sie legt auf.  
    »Mein neuer IT -Mann. Er hat die Prüfung bestanden.«  
    »Die Prüfung?«  
    »Das Coffee & Bytes während Faust 2.0 komplett internetfrei machen, und anschließend Rüdigers Computer kapern und sein eigenes Bild einspielen. Und das von meinem Zimmer aus mit nichts anderem als einem Laptop und einem normalen DSL -Anschluss.«  
    »Kurt sitzt gerade in deinem Zimmer?«  
    »Genau.«  
    Eine Riesenhand erscheint vor dem Riesengesicht und winkt, dann verschwindet Kurt ebenso plötzlich und lautlos, wie er gekommen ist, und Rüdiger erscheint wieder. Sein Mund geht immer noch langsam auf und zu. Aus irgendeiner Ecke schallt ein froher Ruf.  
    »Internet geht wieder!«  
    Rund die Hälfte des Publikums hat es noch nicht durch den schmalen Ausgang geschafft. Alle hören mit einem Schlag mit dem Gedrängel auf und lassen sich, wo immer sie gerade sind, zu Boden sinken. Von überallher hört man erleichtertes Aufatmen, als wäre der Raum ein einziger großer Mund. Nach und nach holen die Leute ihre Smartphones und iPads heraus und beginnen wieder zu fotografieren und zu twittern, auf den Mienen ein Ausdruck, wie man ihn von glücklichen Menschen kennt, die gerade knapp eine Naturkatastrophe überlebt haben.  
    Lena setzt sich auf. Ihr Gesicht ist ganz nah vor meinem. Meine Hand hebt sich wie von selbst und streichelt über ihre Wange. Sie schaut mich wieder an und lächelt. Es scheint ihr gut zu gehen. In mir drin ordnen sich gerade alle Organe neu an. Keine Ahnung, ob ich das überlebe, wichtig ist nur, dass ich das eine noch loswerde.  
    »Ich liebe dich.«  
    »Oliver … Ich … Aber … Das … Oh Mann …«  
    Ihre Augen flackern. Ihre rechte Hand macht eine abwehrende Bewegung, während ihre linke derweil heimlich zart an meinem Arm herumnestelt.  
    »Also, Oliver, das ist doch nicht so einfach, weil, verstehst du, ich habe ein Kind, und …«  
    Von einem Moment auf den anderen spannt sich ihr ganzer Körper an.  
    »Wie spät ist es?«  
    »Zehn nach neun.«  
    Sie springt auf, als hätte sie auf einer Stecknadel gesessen.  
    »Nein!!!«  
    »Was ist?«  
    »Der Babysitter! Er kann nur bis neun. Der GAAZ wird erfahren, dass ich wieder zu spät gekommen bin. Und übermorgen ist der Gerichtstermin!«  
    »Warte, Lena! Du solltest erst mal von einem Arzt …«  
    Zwecklos. Sie stürmt aus dem Raum, als wäre hier eben eine Containerladung hungriger Krokodile ausgekippt worden. Der Kuss, den ich gerade noch für sie auf den Lippen hatte, sickert wieder zurück durch meinen Mund in meinen Magen und löst sich dort langsam auf. Ich sehe durch die Scheibe, wie Lena in ein Taxi springt, das sofort im Verkehr verschwindet. Franziska schaut mich an und senkt den Kopf ein wenig.  
    »Tut mir alles sehr leid. Ich hatte ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass Kurt es schafft. Und auch nicht, dass es gleich so eine Panik gibt.«  
    Ich sage nichts. Mir geht zu viel durch den Kopf. Und durch den Körper. Ich setze mich wieder auf den Boden und starre auf die umgefallenen Stühle und die Glasscherben. Und wie durch dicke Watte in meinem Kopf höre ich Rüdigers Faust-Stimme ein letztes Mal basslastig durch die Lautsprecher dröhnen.  
    »Ich hätte Lust, nun abzufahren.«  
    ***  
    Bald nachdem Lena weg war, kam Kurt vorbei. Und eine Minute danach Tobi. Er hatte Spätschicht gehabt und deswegen nicht zur Aufführung kommen können. Als Entschädigung hat er das Heiße-Öfen-Quartett mitgebracht. Ich weiß nicht, wie spät es inzwischen geworden ist. Wir sitzen nun schon eine kleine Ewigkeit zwischen den umgefallenen Stühlen auf dem Boden und spielen. Wir haben zwei neue Mitspieler dabei. Anfänger, aber sie schlagen sich wacker.  

    »
120 PS .
«  

    »
Du musst sticht sagen, Elvin.
«  
    »Nützt eh nichts. 153 PS .«  

    »
Böser Mann. Nur noch drei Karten.
«  

    »
Kann ich all in gehen? Ach nein, das war ja Poker, oder? Hihi.
«  
    Die beiden waren die Ersten, die während der Internet-Ausfall-Panik den Weg nach draußen gefunden haben und, nachdem es vorbei war, die Ersten, die ganz schnell wieder drin waren.  
    Außer uns ist noch ein harter Kern von etwa 50 Leuten im Raum. Sie beachten uns aber nicht weiter, denn sie bilden
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