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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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Fahrrad. Ich fahre ein paar Meter. Ich steige wieder ab. Es ist nicht zu verantworten. Ich schwanke zu stark. Und ich lache so breit, dass sich meine Mundwinkel fast an meinem Hinterkopf wieder berühren. Während ich ohne festes Ziel weiterschiebe, finde ich sogar mein Eierlikör-Gedicht gar nicht mehr so schlecht. Jedenfalls, kein Zweifel, würde mich jetzt jemand nach meinem Namen fragen, könnte ich froh sein, wenn ich überhaupt noch »Klaus« herausbrächte.  
    Ich bestelle mir etwas bei einem Imbiss, lasse aber die Hälfte stehen. Kein Appetit. Und auch wenn der Gedanke, Lena bis übermorgen nicht zu sehen, noch so schlimm ist, hat es doch ein Gutes: Ich kann heute erst mal alles in Ruhe mit Anton besprechen. Bis dahin ist natürlich noch jede Menge Zeit. Ich schlendere durch ein paar Buch- und Plattenläden. Anschließend besuche ich sogar noch ein Klamottengeschäft und stelle beschämt fest, dass ich mich immer noch nicht traue, alleine Hosen auszusuchen.  
    Als ich schließlich im Valentin lande, habe ich noch eine gute Stunde Zeit und verbeiße mich in die neuen Texte. Der erste ist wieder für die Bratislava Bank. Ich versuche mich an die Stimme zu erinnern, die ich letztes Mal am Ende der quälend langen Aufnahmesession verwendet habe. Komisch. Normalerweise behalte ich alle Stimmen, die ich mir einmal zurechtgezimmert habe, im Kopf, und finde bei Bedarf jede einzelne sofort wieder. Aber auf einmal ist nur noch diese eine Stimme da, mit der ich gestern zu Reinardos Begleitung mein Lied gesungen habe. Als wären alle anderen gelöscht. Krass. Ich muss das später lösen. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich die letzten Tage mit nichts außer dieser Faust-Farce beschäftigt habe. Ich werde zu Hause ein paar Stimmübungen machen und ein bisschen rumschreien, dann kommt sicher alles wieder. Fürs Erste beschränke ich mich darauf, die Texte auswendig zu lernen. Es ist gar nicht so viel.  
    Anton wird gerade noch rechtzeitig gebracht, bevor ich beginne, mich erbärmlich zu langweilen. Nachdem sein Vater gegangen ist, zieht er ein riesiges schwarzes Ding aus einer Plastiktüte.  
    »Schau mal, Oliver. Papa hat mir auch noch den Darth-Vader-Helm gekauft.«  
    »Oha. Du bist auf der dunklen Seite der Macht?«  
    »Meinst du, dass ich den Boba-Fett-Helm bei eBay versteigern kann?«  
    »Bestimmt. Lass dir von deiner Mutter helfen. Anton, ich muss dir was erzählen.«  
    »Okay.«  
    »Letzte Woche …«  
    »Oh, da kommt Tobi!«  
    Was? Tatsächlich. Manno, ausgerechnet jetzt.  
    »Tag die Herren.«  
    »Tag Tobi, was für eine Überraschung.«  
    »Ich dachte, ihr würdet vielleicht gerne ein Spielchen wagen.«  
    »Au ja!«  
    »Dazu muss ich sagen, ich habe gestern gegen Tobi gewonnen, Anton.«  
    »Echt? Wow.«  
    »Stimmt leider. Und heute Morgen habe ich dann gleich mit einer Kollegin die Schicht getauscht. Die Dinge wollen schließlich wieder ins Lot gerückt werden.«  
    Wir spielen. Zum ersten Mal seit langer Zeit beginnt es mich ein wenig zu langweilen. Am Ende hat Anton uns beide souverän in die Knie gezwungen. Worauf ich aber stolz bin: Ich habe ihm immerhin länger Widerstand leisten können als Tobi, der danach ziemlich kleinlaut abgezogen ist. Und jetzt kann ich endlich loswerden, was ich schon lange loswerden will.  
    »Also, Anton, ich erzähl dir jetzt, wie es mit der Frau, die ich liebe, weitergegangen ist.«  
    »Ja, gut.«  
    »Ich …«  
    »Oh, Oliver! Zehn vor sechs! Du musst doch schon längst weg sein!«  
    »Nein, heute nicht.«  
    »Fällt deine Gesangsstunde aus?«  
    »Nein, ich brauche sie nicht mehr. Ist mir, während wir gespielt haben, klargeworden.«  
    »Bist du jetzt besser als deine Lehrerin?«  
    »Nein, das hat damit nichts zu tun. Die Lehrerin wollte immer, dass ich meine eigene Stimme finde. Und ich habe sie gestern Abend gefunden. Ich bin mir sicher.«  
    »Ich finde auch, du sprichst irgendwie anders heute. Ist aber okay, also, gefällt mir.«  
    »Jetzt lass mich endlich erzählen. Dann weißt du auch, wo das mit der Stimme herkommt. Es hat nämlich mit Liebe zu tun. Und ich will von dir wissen, ob du glaubst, dass es gut ausgeht.«  
    »Übrigens, Sophia hat mir heute ein Liebesgedicht geschrieben.«  
    »Wirklich?«  
    »Sie hat ihre Schrift anders gemacht, aber es kann nur von ihr sein. Ich weiß ja, dass sie in mich verliebt ist.«  
    »Und? Freust du dich?«  
    »Ja, schon. Aber ich finde das Gedicht halt nicht so gut.«
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