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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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Märchenfilmhexe-Helge-Schneider-Rocky-Horror-Picture-Show-Butler-plus-kleine-Prise-Ernie-Stimme! … Nö, ist ihnen egal. Na gut, mir auch. Ich wickele meine Konversation mit den Säufern ab, so gut es geht, und wende mich danach wieder an den Riesenfaust.  
    » Den Teufel spürt das Völkchen nie,  
    Und wenn er sie beim Kragen hätte. «  
    » SEID UNS GEGRÜSST, IHR HERRN!«  
    Ich falle fast rückwärts von der Bühne, Reinardo japst erschrocken, und die anderen machen große Augen. Toll. Hätte uns Rüdiger vielleicht mal vorwarnen können, dass er sich einen übermächtigen Basseffekt auf die Stimme legen lässt? Es dauert gefühlte zehn Minuten, bis der völlig verdatterte Uli in der Lage ist, sein » Viel Dank zum Gegengruß « zu erwidern, und das Stück weiterplätschern kann. Eigentlich ist es auch egal, was wir machen. Es fällt kaum auf, ob wir sprechen oder schweigen. Selbst wenn wir jetzt alle spontan Handstandüberschläge machen und dazu »Waka-Waka« singen würden, würde es niemanden kümmern. Alle gucken nur auf Rüdigers riesiges grünes Gesicht. Jedes Zucken seiner Mimik wird mit einem Raunen bedacht. Ich habe sogar den Eindruck, dass die Zuschauer kollektiv seine Atemfrequenz übernommen haben. Und im gleichen Rhythmus fotografieren und twittern sie mit ihren Smartphones.  
    Aber mir soll es nur recht sein, wenn sie nichts mitkriegen, jetzt ist nämlich mein Lied dran.  
    » Es war einmal ein König  
    Der hatt’ einen großen Floh,  
    Den liebt’ er gar nicht wenig,  
    Als wie seinen eignen Sohn …«  
    Das soll lustig sein. Mephisto singt das, um sich bei den Säufern einzuschleimen. Würde ich allerdings im echten Leben versuchen, eine Kneipenbesatzung mit diesem Lied für mich einzunehmen, würde ich sofort an die Wand genagelt. Damit ist einfach nichts zu holen, auch wenn der gute Reinardo sich noch so sehr bemüht, seine südamerikanisch-bayerische-Hybridmelodie gekonnt auf der Gitarre zu begleiten.  
    Was bin ich froh, als es endlich vorbei ist. Immerhin war es das letzte Lied. Nun müssen wir zwar gleich noch durch die oberpeinlichen Passagen, in denen der Text an die Pinklbräu-Produktpalette angepasst wurde, aber die Hälfte ist geschafft.  
    Die Säufer wünschen sich jetzt Getränke von Mephisto. Ich binde mir eine Pinklbräu-Wirtsschürze um, während xman41 und die anderen beginnen, ihre auf Pinklbräu umgebürsteten Begehren vortragen. Ich flüstere dazu den echten Text aus Faust mit, ohne die Lippen zu bewegen.  
    (»Gut! Wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.  
    Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.«)  
    » Gut! Wenn ich wählen soll, dann Pinklbräu Hell,  
    und wenn ich bitten darf, recht schnell. «  
    (»Autsch!«)  
    Im echten Faust müsste Mephisto jetzt ein Loch in den Tisch bohren, aus dem später Wein strömt. Ich darf stattdessen einen Bierzapfhahn mit Werbeschild einschlagen und dabei den nächsten Säufer nach seinen Wünschen fragen. Bei der Antwort flüstere ich wieder den echten Text mit, auch wenn dadurch nichts auch nur einen Deut besser wird.  
    (»Ich will Champagner Wein,  
    Und recht moussierend soll er sein!  
    Man kann nicht stets das Fremde meiden,  
    Das Gute liegt uns oft so fern.  
    Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,  
    Doch ihre Weine trinkt er gern.«)  
    » Verschont mich mit Franzosenbier,  
    Pinklbräu Urtyp trink ich hier. «  
    (»Autsch!!!«)  
    …  
    (»Ich muss gestehn, den sauren mag ich nicht,  
    Gebt mir ein Glas vom echten süßen!«)  
    » Pinklbräu Power, und ich schrei Juchee,  
    denn ich steh auf Snowboard und Puderschnee! «  
    (»Argh!!!!!«)  
    …  
    (»Geschwind! Nur grad’ heraus gesagt!  
    Mit welchem Weine kann ich dienen?«  
    »Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.«)  
    » Ich armer Tropf muss die Bagage nach Hause fahren,  
    drum Pinklbräu Easy, um den Führerschein zu bewahren. «  
    …  
    Geschafft. Einfach abhaken und nicht mehr dran denken. Denn jetzt kommt das Schlimmste überhaupt: Mephistos Zauberspruch, mit dem er die Getränke aus dem Tisch sprudeln lässt. Im echten Faust sind es hochromantische Sätze mit Trauben, Weinstock und Reben, hier ein haarsträubendes Reimgeschüttel aus Brauerei- und Bierzeltdunst. Ich lasse mir etwas Zeit und schaue mich um. Dann gucke ich unheimlich drein und starre den Tisch an, dann fange ich …  
    …  
    … nicht an zu sprechen, sondern schaue mich noch einmal um. Ich habe Lena gesehen.
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