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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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Ewigkeit vor. Hoffentlich ist sie endlich eingeschlafen.  
    Ich selbst bin immer noch hellwach und betrachte die Decke im Nachttischlampenlicht. Unsere Schulzeit geht mir durch den Kopf, das, was mir zu unserer Schulzeit durch den Kopf gegangen ist, geht mir durch den Kopf, und das, was mir damals durch den Kopf gegangen ist, ist so anders als das, was mir heute durch den Kopf geht, dass ich Angst vor mir bekomme. Irgendwann werde ich auch einschlafen. Und morgen werden wir gemeinsam aufwachen. Und Tobi hatte recht. Ich bin in die Freundschaftsfalle getappt. Und so traurig die Lage im Moment auch ist, es ist die wunderbarste Freundschaftsfalle, die es gibt. Ganz kurz denke ich noch einmal an die WG , die Party, die Band, den Inzaghi-Hass-Altar. Es ist alles so weit weg wie noch nie. Ich summe leise meine Melodie.  
    * Kommode, die mit Bildern des italienischen Fußballstars und Schwalbenkönigs Filippo Inzaghi beklebt ist. Siehe
Kaltduscher – ein Männer-WG-Roman  

Sonntag  
     
    »Und du willst es dir wirklich antun, Lena?«  
    Sie lächelt.  
    »Ja, will ich.«  
    »Ich sags noch mal, mit Faust hat es nicht das Geringste zu tun. Und es wird schrecklich.«  
    »Solange es einen Mephisto gibt, der von dir gespielt wird, will ich es sehen. Nenn mich sentimental.«  
    »Aber du hast doch jetzt wirklich andere Sorgen.«  
    »Trotzdem. Ich kann ja eh nichts machen. Außer darauf warten, dass mir ein weißes Einhorn einen gerichtsfesten Beweis dafür liefert, dass der GAAZ keine gute Wahl für das alleinige Sorgerecht ist.«  
    Wir haben beide den Vormittag verschlafen. Ich, weil ich erst im Morgengrauen weggedämmert bin, sie, weil sie schon zuvor eine durchwachte Nacht hatte und den Schlaf dringend brauchte. Irgendwann bin ich aufgestanden und habe die besten Brötchen, die am Sonntag im Wedding zu kriegen waren, organisiert. Und nach einem langen, schweigsamen und doch irgendwie auch glücklichen Frühstück in ihrer kleinen Küche sind wir aufgebrochen, um durch die Stadt zu spazieren, bis Lena zum Treffpunkt muss, den sie mit ihrem Exmann ausgemacht hat. Jeder von uns weiß von dem Schatten, der über ihr hängt, aber wir haben die ganze Zeit kein Wort darüber gesprochen.  
    »Ich muss dann los, Oliver.«  
    »Soll ich mitkommen?«  
    »Auf keinen Fall. Wenn dich mitbringe, erzählt mir der GAAZ beim nächsten Mal, wenn ich ihn treffe, laut in aller Öffentlichkeit und vor Bommi, was ich seiner Meinung nach alles mit deinem Schwanz mache.«  
    »Wie bitte?«  
    »Kein Scherz.«  
    Sie drückt mich fest an sich. Ihr Gesicht verschwindet wieder an meiner Schulter. Ich spüre, wie sie aus- und einatmet.  
    »Machs gut, Mephisto, wir sehen uns in Auerbachs Keller.«  
    »Ich freu mich. Aber freu du dich lieber nicht.«  
    »Gut, mach ich.«  
    Ein Lachen noch, und sie ist weg.  

Montag  
     
    Wenn man mit den schlimmsten Erwartungen irgendwo hinkommt, ist man ja eher enttäuscht, wenn sie nicht gleich erfüllt werden. Die Theaterbühne, die heute tagsüber mit großem Hallo in das Coffee & Bytes reingezimmert wurde, ist ein prima Beispiel dafür. Ich kann es kaum glauben, aber alles daran stimmt. Die Bühne steht perfekt im Raum, so dass man von fast jedem Platz aus bestens das Stück verfolgen kann. Der wuchtige hölzerne Wirtshaustisch dominiert das Bild so stark, dass die ganzen Pinklbräu-Werbeelemente, die auf der Bühne verteilt sind, darüber fast verschwinden. Die übermächtige Leinwand, die den Bühnenhintergrund bildet, hat zusammen mit dem Tisch ein so starkes optisches Gewicht, dass man gar nicht anders kann, als sofort dort hinzugucken, wenn man durch den Eingang kommt. Wen auch immer Elvin und Adrian für diesen Job gebucht haben, er hat es großartig gemacht. Zu schade, dass das, was wir gleich darbieten werden, diese wunderbare Bühne überhaupt nicht verdient.  
    In einer halben Stunde ist Einlass. Ich verziehe mich in den leergeräumten Nebenraum, der heute unsere Garderobe ist. Als Erstes sehe ich die Kamera, die in einer Ecke steht. Na toll, selbst von hier werden Bilder ins Internet gepustet. Rüdiger wird gerade geschminkt. Er begrüßt mich kurz, xman41 und die anderen ebenfalls. Sie sitzen zusammen mit einem grauhaarigen Südamerikaner mit Gitarre, der wohl Reinardo sein muss, in einer Ecke und proben verzweifelt ihre Lieder.  
    Ich könnte Rüdiger fragen, warum er sich ausgerechnet für einen Bossa-Nova-Komponisten entschieden hat, aber erstens muss er sein
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