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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee
Autoren: Katrin Rohde
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ist Dr. Borchert. Ich gebe dir mal die Telefonnummer." Ein Zettel raschelte im Hintergrund, während Luise ihrer Tochter die Zahlen durchgab. Paula schrieb die Telefonnummer auf eine Quittung, die neben dem Bett lag.
    „Danke Mama. Ich rufe da gleich an. Ich melde mich heute Abend und gebe einen Krankenbericht ab."
    „Ja, mach das bitte. Gute Besserung. Ach“, unterbrach sich Luise selbst, „bitte rufe nicht vor 21:00 Uhr an, wir haben heute noch Kegeln."
    „Wenn ich dann noch wach bin, mache ich das. Okay. Tschüss." Paula legte das Telefon zur Seite, ihr Kopf schien während des Telefonates noch gewachsen zu sein und drohte zu platzen. „Na, dann will ich mal sehen, ob ich einen Termin bekomme."

4
    Paula vegetierte den Vormittag vor sich hin, denn in der Praxis war kein Termin frei. Auf einem Montag war das Sprechzimmer voll mit Patienten. Die Sprechstundenhilfe hatte ihr geraten erst nachmittags zu erscheinen, wenn sie es denn so lange aushalten könnte.
    Die Stunden vergingen. Zwischendurch schlief sie ein, wälzte sich unruhig im Bett und wurde durch schlechte Träume aufgeschreckt. Endlich näherte sich die Zeit, um sich auf den Weg zur Praxis zu machen. Schwerfällig warf sie sich ein paar Sachen über, die sie in einem Karton fand und schlurfte langsam in Richtung der Arztpraxis. Um 15:00 Uhr sollte die Sprechstunde beginnen, sie war zu früh dran.
    „So ein Mist", fluchte sie leise, als sie vor der verschlossenen Tür stand. Sie ließ sich auf der Treppe nieder, kramte in ihrer Handtasche und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. Sie inhalierte tief den Rauch, wenige Sekunden später schüttelte sie ein Hustenkrampf.
    „Na klasse, jetzt hat es mich richtig erwischt." Anstatt die Zigarette auszudrücken, nahm sie einen weiteren Zug. Mit einiger Willenskraft unterband sie den Hustenreiz. „Na bitte, geht doch." Zufrieden zog sie wieder an der Zigarette, legte den Kopf in den Nacken und blies den Rauch aus.
    Durch die Rauchwolke drang ein gekünsteltes Hüsteln. Sie blinzelte in die hell strahlende Sonne und entdeckte einen großen, dunklen Schatten im Gegenlicht. Der Schatten entpuppte sich als hoch aufgeschossener Mann, der die Stirn in Falten legte. Der Gesichtsausdruck des Mannes wirkte auf Paula unfreundlich. Bei näherer Betrachtung sah er sogar übellaunig aus.
    „Dürfte ich mal durch", sprach er sie schnippisch an.
    Paula stand langsam auf, dabei musste sie feststellen, dass der Mann ein kleines Stück größer war als sie. Immerhin maß sie einen Meter fünfundsiebzig. Es gab nicht viele Männer, die sie deutlich überragten. Sie stand dem Mann gegenüber und starrte in seine unglaublich blauen Augen. Nur langsam wurde ihr bewusst, dass sie ihm den Weg versperrte. Ein neuer Hustenreiz bahnte sich an und schnell nahm sie die Hand vor den Mund und bellte laut.
    Der Mann kommentierte dies mit einem missfallendem „Hmpf". Schnell schob er sich an Paula vorbei, die zu sehr mit sich und dem Husten beschäftigt war, während sie endlich die Zigarette wegwarf. Der kalte, nach oben gehustete Rauch schmeckte abscheulich.
    „Igitt. Heute wäre ein guter Tag aufzuhören." Ihre Nase lief und der Kopf wog Tonnen. Sie schaute auf die Uhr. Noch zehn Minuten warten.
     
    „Frau Rittner! Sie können jetzt ins Sprechzimmer gehen. Dr. Borchert ist gleich bei Ihnen", flötete die freundliche Stimme der Sprechstundenhilfe.
    Paula folgte der Aufforderung und ließ sich mit hängenden Schultern auf dem harten Stuhl vor dem Schreibtisch nieder. Sie blickte sich in dem weißen Zimmer um, das mit dem üblichen Arzt-Mobiliar eingerichtet war. Außer einer großen Pflanze vor dem Fenster wirkte der Raum kahl und steril. Auf dem Schreibtisch entdeckte Paula einen Bilderrahmen. Das Bild war so gedreht, dass sie nur die Rückseite sehen konnte. Ihre Neugier siegte. Langsam erhob sie sich, umrundete den Schreibtisch und beugte sich zu dem Bild hinab. Die Aufnahme zeigte ein kleines Mädchen mit langen Zöpfen, die blauen Augen strahlten in ihrem Gesichtchen. „Niedlich“, befand Paula.
    Ein Räuspern ließ sie herumfahren. Der Arzt war durch die Tür hinter ihr eingetreten und sie hatte es nicht bemerkt. Oh, Mist! Es war ihr peinlich beim Herumschnüffeln erwischt zu werden. Mit schuldbewusst gesenktem Blick, nahm sie wieder auf dem unbequemen Stuhl Platz.
    Der große Mann in dem weißen Kittel setzte sich ihr gegenüber und sah auf ihre Krankenkarte. „Frau Rittner, Sie sind neu in meiner Praxis. Welche Beschwerden
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