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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee
Autoren: Katrin Rohde
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den Rest des Tages damit beschäftigt, Möbel und Kartons an die richtige Stelle zu räumen und das Notwendigste auszupacken. Das Bett stammte noch aus ihrer Studentenzeit. Sie hatte es einige Male auf- und abgebaut, so dass es gegen Abend schnell und mühelos fertig im Schlafzimmer stand. Kurz vor Mitternacht fiel sie todmüde ins Bett. Sie schlief auf der Stelle ein und durchlebte in der Nacht seltsame Träume: sie saß am Lenkrad des großen Umzugswagens und suchte verzweifelt den richtigen Weg. Egal, wo sie abbog, sie kam immer wieder auf die Autobahn zurück. Die Fahrt wollte nicht enden und sie fand nicht den Weg zu ihrem neuen Heim. Vielleicht verpasste sie den Weg zu ihrem neuen Leben?

3
    Paula erwachte am folgenden Tag durch lautes Vogelgezwitscher. Sie öffnete die Augen und blickte an die weiße Decke. Sie brauchte ein paar Sekunden bis ihr klar wurde, dass sie sich in ihrer neuen Wohnung befand. Die seltsamen Träume der letzten Nacht verwirrten sie. Das Gefühl des Herumirrens und nicht ans Zielkommen blieb ihr ungemütlich im Gedächtnis haften. Außerdem fühlte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie blickte weiter an die Decke, bis ihr bewusst wurde, was es war: Sie hatte Kopfschmerzen, als ob jemand mit dem Hammer die Nacht lang drauf geschlagen hätte. Die Glieder taten ihr weh, der Hals war trocken und rau. Ihre Stirn fühlte sich heiß an.
    „Auch das noch, jetzt werde ich auch noch krank." Langsam quälte sie sich unter der Decke hervor und setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. Das Telefon lag neben dem Bett, zum Glück war der Telefonanschluss schon freigeschaltet. Sie wählte eine Nummer.
    „Hallo Mama", krächzte sie.
    „Oh Gott Kind, wie hörst du dich denn an? Hast du gestern deine Einweihungsparty gefeiert? Und wir waren gar nicht eingeladen." Die Stimme klang leicht eingeschnappt.
    „Mama, ich bin krank."
    „Ach, du meine Güte. Soll ich vorbeikommen?" Die Stimme ihrer Mutter änderte sich sofort und wurde fürsorglich.
    Trotz ihrer misslichen Situation wurde Paula warm ums Herz. „Ach nein, sonst stecke ich euch vielleicht noch an. Aber ihr könnt mir einen Gefallen tun: Seht doch bitte nach, zu welchem Arzt ich hier in der Nähe gehen kann." Paula wurde es etwas schummerig im Kopf, langsam sank sie zurück in die Horizontale.
    „Aber sicher, mein Liebes. Walter?"
    „Ja Luise.“ Die Stimme ihres Vaters im Hintergrund.
    „Paula ist krank. Kennst du einen Arzt in der Nähe?"
    Das nachfolgende Gespräch verstand Paula nicht mehr, denn ihre Mutter drückte den Hörer an die Brust. Sie meinte das Herz ihrer Mutter schlagen zu hören, vielleicht war es aber auch das Fieber, das sie das Denken ließ. Das Stimmengemurmel dauerte einen Moment. Paula hielt die Augen geschlossen und dachte an früher, als sie als Kind krank gewesen war. Ihre Eltern hatten sich liebevoll um sie gekümmert. Sie hatte auf dem Sofa liegen dürfen, der Fernseher lief, Mama brachte ihr heißen Tee und wenn es ihr nicht allzu schlecht ging, einen Schokoladenkeks dazu. Wenn Papa von der Arbeit kam, nahm er sich Zeit für sie und las ihr eine Geschichte aus `Tausend und eine Nacht` vor. Das Buch hatte sie geliebt und in ihrer Fantasie hatte sie all die Abenteuer erlebt, die darin beschrieben waren.
    In der Kindheit hatte sie sich sicher und behütet gefühlt, wenn sie krank war. Am liebsten hätte sie Mama gesagt, ja bitte komm vorbei, mach mich wieder gesund, bring mir ein Stück meiner Kindheit zurück. Paula seufzte. Mit ihren zweiunddreißig Jahren war der Zauber nicht mehr heraufzubeschwören. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob ihre Eltern so viel Zeit aufbringen konnten. Deren Terminkalender war nämlich jede Woche gut gefüllt, obwohl sie als Rentner eigentlich Zeit haben müssten. Ein großer Freundeskreis, Kegelverein, Tanzclub und die vielen Urlaubsreisen hielten sie auf Trab. Paulas Vater sagte immer, er habe bis zum achtundfünfzigsten Lebensjahr schwer geschuftet und jetzt genossen sie ihren wohlverdienten Ruhestand. Obwohl Ruhestand eher das falsche Wort war, wie Paula fand. Wer so viel unterwegs war, ruhte nicht wirklich. Seit nun mehr als vier Jahren genossen sie das Leben in vollen Zügen.
    „Paula? Engelchen? Bist du noch da?" Luise hatte das Telefon wieder ans Ohr genommen.
    Paula schwenkte zurück in die Gegenwart und bedauerte augenblicklich, wie krank sie war. „Ja Mama."
    „Also, Papa sagt, ein paar Straßen weiter gibt es einen Allgemeinmediziner, der ganz gut sein soll. Sein Name
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