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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee
Autoren: Katrin Rohde
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eingezogen", brachte sie schwach hervor. Ihre Beine zitterten leicht, sie musste sich dringend hinlegen.
    Dem scharf beobachtenden Blick der alten Frau war Paulas gesundheitlicher Zustand nicht entgangen. „Kindchen, was ist denn mit Ihnen? Sie sehen krank aus." Besorgnis lag in ihrer Stimme.
    „Ich komme gerade vom Arzt. Ich muss mich hinlegen."
    Die Frau trat zur Seite. „Wissen Sie was? Ich habe von heute Mittag noch etwas Hühnersuppe übrig, die bringe ich Ihnen gleich vorbei."
    „Ach, das ist doch nicht nötig", versuchte Paula abzulehnen.
    „Keine Widerrede! Lassen Sie Ihre Tür auf, ich komme gleich nach." Ihre resolute Stimme klang kraftvoll aus dem kleinen, leicht gebeugten Körper und ließ keinen weiteren Widerspruch zu.
    Nickend und ohne weitere Worte schleppte sich Paula die Treppe hinauf, schloss die Tür auf, verstreute Jacke und Schuhe achtlos im Flur und bewegte sich auf ihr Bett zu. Nachdem sie sich ihrer Hose entledigt hatte, kroch sie unter die Bettdecke. Sie schloss die Augen und lag einfach nur da.
    Ein paar Minuten später klopfte es an der Wohnungstür, die sie hatte offen stehen lassen.
    „Hallo?" Die Stimme der Frau hallte durch ihre leer wirkende Wohnung.
    „Hier", jammerte Paula aus dem Schlafzimmer.
    Langsam bewegten sich Schritte im Flur in Richtung Paula. Der Kopf der alten Dame erschien im Türrahmen. „Ah, hier sind Sie." Sie schob sich in das Schlafzimmer und ließ den Blick schweifen. Der Raum war mit Umzugskartons zugestellt, der aus Einzelteilen bestehende Kleiderschrank in der Ecke wurde fast komplett durch aufgestapelte Kisten verdeckt.
    Paula folgte dem Blick der Frau. „Ja, es sieht hier chaotisch aus. Heute wollte ich anfangen aufzuräumen, aber ..."
    „Ach, das läuft Ihnen doch nicht weg. In Ihrer Verfassung geht das doch nicht." Sie stand im Raum und hielt in der rechten Hand einen großen Teller mit der versprochenen Suppe. Suchend blickte sie sich nach einem Stuhl um, der in dem Chaos nicht auszumachen war. Also entschied sie sich neben dem Bett auf einem Umzugskarton Platz zu nehmen.
    „So, nun setzen Sie sich mal auf und essen etwas Suppe."
    „Ich mag nicht", klagte Paula wie ein kleines Kind.
    „Papperlapapp", überging die Frau ihr Gejammer. „Sie müssen bei Kräften bleiben und die Hühnersuppe hat bei mir immer geholfen." Auffordernd hielt sie Paula den Teller unter die Nase.
    Seufzend richtete sie sich auf und lehnte den Rücken an die Wand. Die alte Dame reichte ihr die Suppe, gab ihr einen Löffel und zauberte eine große Stoffserviette aus der Tasche ihrer Strickjacke. Obwohl Paula elend zu Mute war, sog sie den wunderbaren Duft der Hühnersuppe auf.
    „Riecht gut."
    „Probieren Sie, schmeckt auch gut."
    Paula pustete auf den Löffel und kostete. „Sehr gut."
    Das Gesicht der alten Dame erhellte sich erfreut. „Habe ich doch gesagt. Das ist das Rezept meiner Mutter und sie wiederum hatte es von ihrer Mutter. Es gibt nichts Besseres."
    „Das glaube ich Ihnen gerne." Paula aß ein paar weitere Löffel, ehe sie den Suppenteller sinken ließ.
    „Ein paar Löffel gehen doch noch."
    „Nein, wirklich nicht. Ich bin so müde."
    „Na gut", entließ die Dame Paula, nahm ihr den Teller ab und stellte ihn zur Seite. Dankbar rutschte Paula in die Kissen.
    „Dann lasse ich Sie jetzt alleine. Kümmert sich denn niemand um Sie?"
    Paula setzte gerade zu einer Antwort an, als aus dem Flur eine weitere Stimme erklang.
    „Paula?"
    „Hier, Mama."
    Schnelle Schritte eilten durch die Wohnung und ihre Mutter erschien. Luise stutzte, als sie neben Paula die alte Dame sitzen sah, die trotz der kleinen Statur beinahe etwas Majestätisches ausstrahlte.
    „Oh, du bist nicht allein", stellte Luise fest und kam neugierig näher. „Guten Tag, ich bin die Mutter von Paula. Luise Rittner“, stellte sie sich vor. Sie schüttelte der alten Dame sanft die Hand. Widererwarten entgegnete diese mit einem kräftigen Händedruck und freundlichem Lächeln.
    „Guten Tag Frau Rittner. Ich bin Frau Wagner. Ich wohne auch im Haus. Ich habe Ihre Tochter vorhin an der Haustür getroffen und sie sah gar nicht gut aus. Da sie hier neu ist, habe ich mir gedacht, ich kümmere mich ein bisschen um sie."
    Paula blickte Frau Wagner dankbar an, die ihr die Hand sanft tätschelte. Paulas Mutter beobachtete dies mit aufsteigendem Unmut, ein kleiner Stich Eifersucht durchfuhr ihren mütterlichen Körper.
    „Ja, das war sehr lieb von Ihnen. Aber jetzt bin ich ja da und werde mich um meine
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