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Light & Darkness

Light & Darkness

Titel: Light & Darkness
Autoren: Laura Kneidl
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Jahre alt, als meine Mutter aufgeregt mit einer Zeitung wedelnd in mein Zimmer gerannt kam. David zog sie an seinem Pulli hinter sich her. Früher hatten mein Bruder und ich uns ein Zimmer geteilt, als er dann zehn wurde, bekam er sein eigenes im Keller.
    »Kinder …«, begann Mama ganz aus der Puste vor lauter Aufregung, »… heute Abend wird im Fernsehen Geschichte geschrieben.«
    Mein Bruder und ich sahen sie desinteressiert an und warteten auf den riesigen Knall, den ihre Aufgebrachtheit versprach. Sie öffnete die Zeitung. Ein einziger großer Artikel dominierte die erste Seite und nichts deutete auch nur im Entferntesten daraufhin, dass auf den folgenden Seiten noch etwas anderes zu finden sein würde. Das Titelbild zeigte einen hübschen Mann mit sehr blasser Haut, schwarzem Haar und roten Augen. Unter dem Foto stand klein gedruckt: Heinrich von Rosenheim, Sprecher der internationalen Vampirvereinigung In sanguine veritas (dt. Die Wahrheit liegt im Blut, Internet: www.insanguineveritas.org). Die Schlagzeile lautete: Vampire, ein Mythos wird lebendig. Darunter stand in kleinerer Schrift: Heute Abend großes Coming-out in der ARD.
    »Ich möchte mit euch darüber sprechen, bevor ihr es aus dem Fernsehen hört«, hauchte meine Mutter und ihre Augen funkelten.
    Ich weiß noch genau, wie still es an diesem Abend in den Straßen war. Jeder saß zusammen mit seiner Familie vor dem Fernseher und verfolgte die Talkshow im Ersten, so wie wir. Sogar Papa war an dem Tag früher aus der Arbeit nach Hause gekommen, um sich die quälenden Stunden bis zur Sendung mit uns zu vertreiben. Wir spielten Uno, aber leider weiß ich nicht mehr, wer wie oft gewonnen hat. Meine Gedanken waren voll und ganz mit dem Thema Vampir beschäftigt und ich hoffte insgeheim, dass sie so lieb wie der kleine Vampir Rüdiger waren. Gegen zwanzig Uhr begann die Sendung, die als Sondersendung angepriesen wurde, und unten am Bild bat der Sender um Entschuldigung für das ausgefallene Programm. Den Namen des Moderators habe ich vergessen, da meine Augen und mein Verstand fest auf den Vampir aus der Zeitung geheftet waren. Er war übernatürlich schön und strahlte totale Gelassenheit aus. Seine Augen fixierten ununterbrochen den Moderator und ich hatte den Eindruck, er hätte nicht einmal geblinzelt. Er trug einen beigefarbenen, dreiteiligen Anzug – bestehend aus Hose, Weste und Jackett, darunter ein weißes Hemd und eine champagnerfarbene Krawatte, welche unter der Weste verschwand. Ich denke, er nahm absichtlich Abstand von dunkler Kleidung, um nicht so klischeehaft zu erscheinen.
    »Herr von Rosenheim … Ich hoffe, ich spreche Sie korrekt an?«, stotterte der Moderator los. Er schien unheimlich nervös zu sein. Ich glaube, er wartete nur darauf, dass der Vampir aufsprang und sich an seinem Hals zu schaffen machte. Jedoch nickte dieser nur.
    »Jahrhunderte lang dachte die Menschheit, dass Ihre Art nur ein Mythos wäre. Wie kommt es dazu, dass Sie sich auf einmal zu erkennen geben?«
    Gespannt und ohne Luft zu holen, starrten wir auf den Fernseher. Wir alle wollten ihn sprechen hören. Der Vampir ließ sich Zeit und dachte über seine Worte nach, dann öffnete er den Mund und zu unserem Bedauern sah man keine Fangzähne.
    »Wir sind es leid, uns zu verstecken. Wir glauben, dass die Menschen nun bereit sind, uns als das zu akzeptieren, was wir sind, ohne uns gleich auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Also haben wir eine Versammlung einberufen und uns entschieden, endlich aus dem Schatten in die Sonne zu treten.« Seine Stimme war so wunderbar sanft und wirkte fast wie gehaucht. Meine Mutter seufzte laut, als sei sie dem Mann im Fernseher verfallen. Die Aura dieses Wesens nahm das ganze Fernsehstudio ein und schien selbst über die Mattscheibe hinaus ihre Wirkung zu entfalten. Wir schwiegen. Keiner von uns traute sich etwas zu sagen, da wir Angst hatten auch nur ein Wort des Vampirs zu verpassen.
    »Ich denke, die wichtigste Frage, die unseren Zuschauern auf der Seele brennt, ist die Ihrer Ernährung. Stimmt es, dass Vampire sich ausschließlich von Menschenblut ernähren, oder ist dies ein ähnlicher Mythos wie der, dass sie in der Sonne verbrennen?« Der Moderator schluckte und rutschte in seinem Sessel hin und her.
    Der Vampir lächelte und da waren sie: seine Fangzähne! Weiß wie Schnee und spitz wie Steakmesser.
    »Wir ernähren uns von Menschenblut«, sagte er kurz angebunden, was seinen Gesprächspartner nicht zu beruhigen schien. Er tat
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