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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke
Autoren: Susanne Fröhlich
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auf dem Display, dass es Sabine ist. Wahrscheinlich mit dem Bericht von ihrem Date.
    »Hallo Sabine, du rätst nie, wo ich gerade bin!«, sage ich zur Begrüßung.
    »O doch«, antwortet meine Freundin, »in New York. Beim Marathon.«
    Das erstaunt mich jetzt schon. Woher weiß die das? Hat sie erst bei mir zu Hause angerufen?
    »Wer hat das verraten?«, will ich wissen.
    »Na, dein Vater, den habe ich gerade getroffen!«, lacht sie. Mein Vater ist doch gar nicht zu Hause. Der hat doch eine Verabredung mit seinem alten Freund.
    »Aber meine Mutter ist doch jetzt zu Hause bei den Kindern!«, stehe ich total auf dem Schlauch.
    »Habe ich was von bei dir zu Hause gesagt?«, fragt mich Sabine. »Nein«, sage ich nur. Das ist ja eine ziemlich verworrene Geschichte. »Also, Andrea«, klärt sie mich auf, »ich hatte doch heute mein Internet-Date, du weißt schon, mit dem klugen Mann mit der guten Rechtschreibung.«
    »Stimmt«, fällt es mir wieder ein, und ich will natürlich sofort wissen, wie es war.
    »Sehr nett, bis auf die Tatsache, dass es dein Vater war.«
    Verabredung mit einem alten Freund. Ha! Mein Vater hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wie peinlich ist das denn? Was denkt der sich? Ich entschuldige mich sofort für meinen Vater. Sabine findet das unnötig, außerdem erzählt sie mir, dass er einen knallroten Kopf bekommen hat, als er gemerkt hat, wen er da trifft. Schließlich kennen sich die beiden durch mich schon einige Jahre.
    »Der hat sich total geschämt und sich tausendmal entschuldigt. Ich fand’s eigentlich ziemlich lustig, habe ihm aber gleich gesagt, dass die Vorstellung, deine Stiefmutter zu sein, mir nicht besonders gefällt und er auch nicht ganz meine Altersklasse ist. Übrigens, Andrea, ich musste ihm hoch und heilig versprechen, es dir nicht zu sagen. Also ich habe nichts gesagt, ist das klar!«
    Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, und das sage ich ihr auch.
    »Du musst, sonst erzähle ich dir nie mehr was!«, insistiert sie. Zähneknirschend verspreche ich es.
    Unglaublich, der Mann verbringt seine ersten Stunden im Internet, und dann so was. Hoffentlich erfährt meine Mutter das nicht! So langsam sind die beiden quitt.
    Sabine kichert noch ein bisschen rum, und wir verabreden uns für nächste Woche.
    »Viel Glück!« wünscht sie mir noch, und ich glaube, das kann ich sehr gut brauchen.
     
    Zwei Stunden später habe ich die Queensboro Bridge erkundet, Tausende von Läuferwaden gesehen, immer mal wieder gedacht »Ja, da ist er« und immer wieder enttäuscht feststellen müssen, dass er es nicht war. So langsam schwinden meine Hoffnungen. Obwohl die Stimmung an
der Strecke phänomenal ist, lässt meine merklich nach. Wie soll ich Christoph hier bloß finden? Läufer sehen sich irgendwie ähnlich. Und sie sind, obwohl sie ja schon einige Kilometer in den Schuhen stecken haben, noch verdammt flott unterwegs. Eine Zuschauerin gibt mir den Tipp, in die Bronx zu fahren. Da wären nicht ganz so viele Menschen an der Strecke und die Chance, einen bestimmten Läufer zu sehen, deshalb größer. Außerdem wäre es eine gute Gelegenheit, einen Eindruck von der Bronx zu bekommen, einem Stadtteil, der ansonsten von den Touristen eher vernachlässigt wird.
    »Warum nicht«, denke ich und mache mich auf den Weg. Am helllichten Tag und mit solchen Menschenmengen kann die Bronx ja nicht weiter gefährlich sein. Meine Füße brennen, und ich habe das Gefühl, fast schon selbst eine Marathonstrecke hinter mich gebracht zu haben. Aber immerhin ist das Wetter gut. Und ich kann mittlerweile sehr gut verstehen, dass Christoph unbedingt hier seinen ersten Marathon laufen wollte. Die Zuschauer sind richtiggehende Animateure. Sie rufen, schreien und feuern an. Überall an der Strecke ertönt Musik, und die Läufer, die stehengeblieben sind und sich krampfende Körperteile halten, werden angespornt, weiterzulaufen. »You can do it! You’ll make it! Go run … Daddy, you will win … « Auch ich fühle mich gleich mitmotiviert. Ich haste die Strecke entlang und versuche, das Läuferfeld im Auge zu behalten. Manche sehe ich immer wieder. Nur der Mann, nachdem ich mich so sehne, ist nicht dabei. Immer wieder denke ich darüber nach, ob das alles nicht doch eher eine Schnapsidee war. Schlicht Blödsinn. Ich wate durch Schwämme und Becher, weggeworfene Bananenschalen und beobachte Läufer, die inzwischen gehen, sich unterhalten
oder in Ruhe einen Energy-Riegel essen, und dann plötzlich passiert es.
    Als ich
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