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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke
Autoren: Susanne Fröhlich
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zurück, und ich bereue meinen Großmut schon jetzt bitterlich. Als ich eine Stunde nach Abflug mal in der Business Class nach meinem Mann schauen will, schickt mich die Stewardess freundlich, aber bestimmt wieder weg. Denn im Flugzeug herrscht strenge Klassentrennung. Die vorne dürfen, wenn es sie überkommt, mal nach hinten zum Flugpöbel, aber umgekehrt geht gar nichts. Christoph scheint kein gesteigertes Bedürfnis zu haben, mich zu sehen, denn ich warte vergebens auf einen Besuch. Gott sei Dank bin ich, obwohl mir sein Verhalten stinkt, hundemüde und schaffe es, bevor ich eine Thrombose bekomme, einzuschlafen.
     
    Wir landen pünktlich in Frankfurt, und ich habe den Großteil des Fluges verpennt. Und keine Thrombose bekommen. Christoph ist richtiggehend euphorisch und schwärmt mir von dem tollen Service in der Business Class vor.
    »War ja auch eigentlich mein Gewinn, das Los vom Juristenball!«, schmälert er auch noch meine gute Tat. »Ich habe übrigens mal nach dir gesehen, wollte dir ein Glas Champagner bringen, aber du hast so tief geschlafen, da bin ich wieder zurück.« Immerhin – der Wille war da.
    Wir nehmen uns ein Taxi nach Hause. Es ist Abend. In unserem Haus brennt kein Licht mehr. Wir schleichen uns rein, um keinen zu wecken, schließlich haben die Kinder morgen Schule, und mein Vater ist vom Wochenende garantiert ordentlich geschafft. Als wir im ersten Stock leise einen Blick in Claudias Zimmer werfen, hören wir von nebenan, aus Marks Zimmer, ein Geräusch. Ein komisches
Knarren. Und ein Kichern. Wälzt sich mein Vater im Schlaf und träumt von herrlichen Verabredungen mit sehr jungen Frauen? Gerade als Christoph sagt »Lass uns doch vorsichtig nachsehen«, tut es einen grauenvollen Schlag, und wir stürmen ins Zimmer. Der Anblick, der sich uns bietet, ist, um es gelinde auszudrücken, überraschend. Das Hochbett ist durchgekracht, der Lattenrost hat seinen Geist aufgegeben, unten sitzen mein Vater und meine Mutter auf der Matratze, und beide lachen und lachen und können sich gar nicht mehr einkriegen. Ich weiß kaum, wo ich hinschauen soll, denn die zwei sind splitterfasernackt.
    »Hallo, ihr New Yorker«, kichert mein Vater, und meine Mutter hält sich die Hände vor die Brüste. Christoph steht mit offenem Mund in der Tür und starrt die beiden an.
    »Was ist denn hier los?«, frage ich nur, obwohl ich insgeheim eine leise Ahnung habe, was hier losgewesen ist. Mein Vater schnappt sich die Decke und wirft sie über meine Mutter und sich.
    »Ja, die Erika und ich, wir waren auf einmal sehr müde vom Babysitten, und da haben wir uns kurz aufs Ohr gelegt«, sucht er nach einer plausiblen Erklärung.
    Nach Streit oder gar Scheidung sehen die beiden nicht aus. Auch nicht, als hätten sie sich nur mal kurz aufs Ohr gelegt. Meine Mutter hat zerwühltes Haar und ziemlich rote Wangen.
    »Hattet ihr hier etwa Sex?«, platzt es aus mir heraus. Natürlich fragt man so was seine Eltern eigentlich nicht, aber in diesem besonderen Fall würde es doch einiges klären. Und meine Neugier befriedigen. Ich freue mich schon auf das Gesicht meiner Schwester, wenn ich ihr das hier erzähle. Meine Eltern – die Lattenrostkiller!
    »Wir sind deine Eltern, Andrea«, drückt sich meine
Mutter um die Frage herum. »So was fragt man seine Eltern nicht!«
    Ich sage nicht, dass es auch nicht üblich ist, dass Großeltern sich im Hochbett ihres Enkels vergnügen – und zwar so doll, dass der Lattenrost durchbricht. Und dazu noch mit zwei schlafenden Kindern nebenan.
    »Seid ihr wieder zusammen, habt ihr euch vertragen?«, wenigstens diese Frage sollte ja wohl erlaubt sein.
    »Mal sehen, ich weiß es noch nicht«, sagt mein Vater, und meine Mutter sagt nur: »Der Franz kann Dinge, da kann der Fred nur von träumen.« Mein Vater strahlt wie ein soeben gekürter Sexgott, sagt aber kein weiteres Wort.
    »Lass deine Eltern doch besser schlafen, wir können doch morgen drüber reden!«, schlägt Christoph vor.
    »Also hier ist es mit dem Schlafen ja jetzt schlecht«, moniert mein Vater den Lattenrost. Gerade so, als hätte er ihn nicht selbst auf dem Gewissen.
    »Komm halt mit heim, Franz«, turtelt meine Mutter, »was man anfängt, muss man doch zu Ende bringen!« Ihr albernes Gekicher macht deutlich, wovon sie spricht.
    Mein Vater aber zögert. »Ich könnte vielleicht allein hier auf der Matratze schlafen«, setzt er an und lenkt dann ein und sagt: »Ach was soll’s, wir lernen aus Erfahrung, dass die Menschen nichts
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