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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke
Autoren: Susanne Fröhlich
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Im Gegenteil. Er bietet mir einen Job an. Eine Stelle. Und das in Frankfurt. Also gut erreichbar. Ich werde Texterin. Darf das, was ich bei meiner jetzigen Arbeit am liebsten tue, ausschließlich tun. Wir werden nicht verarmen, und ich lande nicht im Frauengefängnis. Ich fühle mich, als hätte mich jemand aus der mentalen U-Haft entlassen.
     
    So euphorisiert, mache ich mich auf in Richtung Central Park, zum Ziel des Marathons.
    Ich schaffe es gerade so, kurz vor Christoph da zu sein. Schließlich muss ich auch fast den gesamten Park entlang laufen.
    Schon von weitem kann ich ihn sehen. Er sah schon mal besser aus. Ob man das, was er da macht, noch rennen nennen kann, darüber bin ich im Zweifel. Er humpelt ein bisschen. Ich klatsche und rufe, und er rafft sich nochmal auf und läuft durchs Ziel. Seine Zeit: vier Stunden und zwölf Minuten. Ich weiß, das wird ihm nicht gefallen. Er wollte so gerne unter vier Stunden laufen. Jetzt habe ich ihm die Zeit versaut. Er bekommt seine Medaille und eine riesige Alufolie umgeworfen.
    »Du bist der Tollste«, rufe ich und küsse ihn ab. Er ist völlig ermattet.
    »Ich will ins Hotel!«, sagt er nur. »Das war eines der irrsten Erlebnisse meines Lebens.«
     
    Drei Stunden später, in seinem Hotel (ich habe aus meinem ausgecheckt und meine wenigen Sachen mitgenommen), sitzen wir zusammen in der Badewanne und trinken Sekt aus der Minibar. Ich massiere seine Oberschenkel und den Rest seines strapazierten Körpers. Es ist grandios, denn zu meiner großen Überraschung regt sich noch einiges Leben in ihm. Leben, das ich in letzter Zeit sehr vermisst habe!
    Der Abend wird insgesamt einer der schönsten, den wir je hatten. Er besteht darauf auszugehen, obwohl schon das Wort gehen seine Beine ächzen lässt. Er führt mich in den Rainbow Room, einen Ort, den ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte. Aus einer Filmszene. In
Schlaflos in Seattle
trifft sich Meg Ryan dort mit Walther, um dann,
als sie das rote riesige Herz am Empire State Building aufleuchten sieht, zu entscheiden, dass sie nicht mit Walther zusammen sein kann. Im Gegensatz zu Meg Ryan sitze ich mit dem absolut richtigen Mann hier oben im fünfundsechzigsten Stock des Rockefeller Centers. Die Aussicht ist umwerfend schön. Ganz New York liegt uns zu Füßen, und nach Langem haben wir Zeit nur für uns. Ich entschuldige mich noch einmal für die Laufunterbrechung, und Christoph gesteht, dass er an dieser Stelle sowieso so fix und foxi gewesen sei, dass er am liebsten aufgegeben hätte und sehr froh über die unfreiwillige Pause war.
    Der Abend hat etwas Magisches. Was sicher auch mit der Kulisse zu tun hat. Wir trinken, lachen, und würde ich ihn nicht schon lieben, hätte ich mich an diesem Abend sicherlich in ihn verliebt. Er ist heute all das, was ich an einem Mann mag. Witzig, charmant, liebenswürdig und klug. Ich genieße es, frage mich aber, warum diese Momente so rar sind. Ist das eben so? Ist das der Preis für eine lange Beziehung? Haben manche Frauen das immerzu, und muss nur ich mich bescheiden und von solchen Abenden monatelang zehren? Oder geht es allen so? Muss man einfach öfters raus aus dem Alltag? Kann ich nicht für immer hier sitzen bleiben mit diesem Traum von einem Mann? Kann ich nicht einen Teil dieses Zaubers mitnehmen, hinüberretten in unseren Alltag? Oder verderbe ich mir jetzt noch den Augenblick, nur weil ich darüber nachgrübele, warum Augenblicke wie dieser nicht die Norm sein können.
    Es wird eine lange Nacht, in der er nicht einmal seinen Blackberry zückt, und ich bewundere sein Durchhaltevermögen. 42 , 2 Kilometer gerannt und abends noch so wach! Mein Marathonmann! Selbst die Geschirrgeschichte klärt sich. Er hat gemeinsam mit einem Javier gegessen. Javier
ist ein Spanier, den er beim Abholen der Startnummern am Nachmittag vor dem Marathon kennengelernt hat. Javier wohnt im gleichen Hotel, hatte auch keine Begleitung, und da haben die Männer beschlossen, gemeinsam zu essen und die Route sowie die Strategie durchzusprechen. So einfach ist es manchmal. Und ich glaube ihm die Javier-Geschichte. Christoph ist ein wesentlich schlechterer Lügner als ich, und vor allem nicht schnell im Lügenausdenken.

6
    Wir schlafen tief und fest. Am nächsten Morgen allerdings herrscht ein gewisses Chaos. Wir wachen zu spät auf und müssen schon in vier Stunden am Flughafen sein. Kurz nachdem er die Augen offen hat, greift Christoph nach seinem Blackberry. Es ist wie bei Aschenputtel, denke ich.
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