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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
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spielte, keiner hat dich verraten, aber alle folgten ihm, das Kind hob schnell wieder den Blick, den es erst niedergeschlagen hatte, er hielt seine Wange hin, das Ohr, die Hand; dann fand der Mann einen Weg, mit mir zu leben. Er verstaute seine Wäsche, aß dein Brot. Ich sah ihn nicht an, sah ihm nicht oft in die Augen, ich hatte Angst, war erstaunt, nachts nicht zu wissen, wer neben mir schlief. Wenn wir uns liebten, dachte ich nicht an dich, ich war mit ihm allein, allein auch mit mir, aber wenn ich ihn ansah, verschwammen deine Konturen, und ich wusste nicht mehr, wer ich war. Es brauchte Zeit, einen Moment, einen Augenblick. Ganz langsam bereitete ich mich im Geiste vor, bevor ich die Augen aufschlug, ich wartete, bis er eingeschlafen war, um mir seine Gestalt einzuprägen, ich wusste, dass von nun an er an meiner Seite sein würde, doch tagsüber hielt ich den Blick gesenkt. Ich spürte, dass das Laub wieder sprießen würde.
    Während man den toten Stamm verfeuerte, sah ich in den Himmel. Als ich den Kopf hob und sein Gesicht sah, wusste ich, dass ich eine neue Reise antrat.

Eingefahrene Gleise
     
    Mir ist eiskalt. Ich verstehe nicht, wieso wir uns gegenübersitzen. Ich hatte Plätze nebeneinander reserviert und nicht am Vierertisch. Willst du ein Sandwich? Ich habe es mit Oliven garniert, darauf hat mich Poupette gebracht, ihr Sohn nimmt immer Oliven, dann schmeckt es nach etwas und das Brot wird weich, er ist ein guter Koch, auch wenn er depressiv ist. Er ist auch ein guter Gärtner, er gärtnert nach alten Methoden, er züchtet Rosen. Warum ziehst du denn so ein Gesicht? Stimmt doch – er züchtet Rosen. Mich nervt dieser Vierertisch. Nimm eine Serviette, dann bekleckerst du dich nicht. Ach, was hast du denn da am Kragen? Nein, es ist nur ein Schatten. Uff.
    Mach den Knopf auf, dein Hals ist eingeschnürt, es wird dir unbequem sein. Wenigstens ein bisschen. Mach ihn auf, den obersten Knopf. Wir werden den Schaffner fragen, wieso wir an einem Vierertisch sitzen. Du wirst fragen, ja? Du wirst sprechen. Sonst muss immer ich es tun, wie im Restaurant. Warum muss immer ich um Salz bitten? Neulich musste ich auch Wasser bestellen, du hattest es vergessen. Das mag ich nicht so sehr. Die Frau sollte das nicht tun müssen. Außerdem weißt du das ganz genau.
    Diese Züge sind schmutzig. Wir hätten mit dem Auto fahren sollen. Dann hätten wir wenigstens keine Sitznachbarn. Stell deine Tasche auf den Sitz, sonst setzt sich noch jemand dorthin. Machst du das eigentlich absichtlich?
    Sieh doch, du hast vergessen, dich unter dem Kinn zu rasieren. Ich frage mich, warum ich dir die Brille gekauft habe? Du setzt sie ja doch nie auf. Schrecklich, dass du immer alles nur halb machst. Der Beamte am Schalter hatte mir gute Plätze versprochen – laut seinem Computer waren die Vierertische besetzt. Bla bla bla. So ein Schwätzer!
    Warum isst du nicht? Ruh dich ein wenig aus, aber lass dein Sandwich nicht zu lange herumliegen, iss es endlich, mit verderblichen Lebensmitteln muss man vorsichtig sein. Wie du willst, dann schlaf eben. Ist ja sowieso egal, was ich sage. Gib es mir, ich werde es kühlen. Ich warne dich – wenn du Gelbsucht bekommst, werde ich dich nicht pflegen. Musst du schon wieder auf die Toilette? Lass dein Telefon hier, ich werde es dir schon nicht klauen.
     
    Während du auf der Toilette warst, hat es geklingelt. Ja, das Telefon. Ich habe nichts angerührt. Und so ein unverfrorener Typ kam mit Zigarette hier vorbei. Das ist ein Nichtraucherabteil, wenn ich mich nicht irre. Willst du jetzt dein Sandwich? Der Schaffner wird bald kommen, leg deinen Ausweis bereit. Hast du die Fahrkarten? Du hast deinen Ausweis vergessen? Großer Gott! Warum steckst du ihn nicht zu den anderen Papieren? Warum nimmst du ihn aus der Brieftasche?
    Eine Strafe! Sicher werden wir Strafe zahlen müssen. Toll! Hast du wenigstens deinen Pass dabei? Damit kommen wir vielleicht durch, wenn der Schaffner uns entgegenkommt, wird er uns glauben, dass wir ehrlich sind. Ich werde mit ihm sprechen, ich werde ihm sagen, dass du Rentner bist und viel reist. Poupette meinte gestern, dass du für dein Alter sehr jung aussiehst. Sie hat recht. Wie ein kleiner Bub.
    Du solltest dieses Buch lesen, ich habe es für dich gekauft, ich habe es gestern ausgelesen. Informiere dich ein wenig über die aktuellen Themen. Dann können wir darüber reden. Über das Buch kann man sagen, was man will, man kann es mögen oder nicht, aber es hat was. Und Poupette
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