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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
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Kinder haben. Ihr solltet nicht mehr zu lange warten, sagt die Mutter, sagt der Vater, sagen auch die Freunde. Was machst du also? Ich warte auf ihn. Er tut, was er kann, um mich nicht zu verlieren. Er verlangt nichts, sagt, ich solle mir etwas gönnen, er füllt das Bankkonto, arbeitet und kommt dann zurück. Noch ein Kommentar?
     
    Sie ist auf dem Bahnsteig, er kommt. Zuerst sieht sie ihn nicht, zumindest tut sie so, wie immer, denn sie kann mit den ersten Blicken nicht umgehen, weiß nicht, wie sie den Nebel durchdringen soll. Ihr Herz rast, er kommt auf sie zu, sie sagt: Oh, da bist du ja; genau wie ich.
    Sie tauschen die Koffer. Sie mag es, wenn seine Hand unvermittelt die ihre streift, sobald er den Griff umfasst. Sie begleitet ihn zum anderen Bahnsteig, er findet, das sei zu viel des Guten, es sei zu anstrengend für sie. Sie trägt den Koffer, anstatt ihn zu ziehen, damit ihr Arm schmerzt, wenn sie sich trennen. Manchmal haben sie gerade noch Zeit, einen Kaffee zu trinken. Heute lädt er sie zu einem letzten ein. Sie fragt, wieso ein letzter? Er sagt, der letzte vor der Fahrt. Da ist sie beruhigt. Er erzählt ihr von Brüssel, von dort fährt er weiter nach Libourne. Sie freut sich, es soll schönes Wetter geben.
    Sie öffnet den Koffer und findet darin ein zusammengerolltes geblümtes Kleid, wie man es heutzutage trägt, ein sehr modisches Kleid, das ein Vermögen kostet, ein Designerstück, sie kennt diese Marke. Sie faltet es auseinander, glättet es, betrachtet es und zieht es an. Genau ihre Größe. Also hat er sich daran erinnert. 20. Februar, das ist morgen. Kein Zuckertütchen im hinteren Kofferfach, kein Shampoo, nicht einmal ein Taschentuch. Komisch. Sie findet lediglich einen positiven Schwangerschaftstest. Sie fällt aus allen Wolken. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, damit hat sie nicht gerechnet. Sie freut sich und wandelt jeden Buchstaben des Wortes »schwanger« in eine Zahl um, dann rekapituliert sie die Nummern der Bahnsteige. Sie addiert, sie subtrahiert, sie hat ein neues Spiel gefunden, so etwas wie ein Rebus, eine Art Band zwischen ihnen.
    In sechs Tagen wird sie auf dem Bahnsteig stehen, wo er nach Marseille abfährt. Sie muss praktisch denken – Badehose, Sonnencreme, Sonnenbrille. Sie wird ihr Geburtstagskleid tragen. Gleis C; das würde sie mit geschlossenen Augen finden.
    Er hat angerufen, musste alles absagen. Er wird keinen Zwischenstopp einlegen. Sie bedankt sich für das Kleid. Und er fragt: Welches Kleid? Mein Geburtstagsgeschenk! Welcher Geburtstag denn? Meine Güte, na, meiner! Ach so, deiner, ja klar, du hast recht, er ist schon vorbei, entschuldige, wir werden nachfeiern, keine Sorge. Aber von welchem Kleid sprichst du?, fragt der Mann. Das Kleid, das hinten im Koffer war, verstehst du? Sag mir, dass du verstehst, sag, dass das Kleid für mich war. Du hast eine andere, nicht wahr?
    Ich muss jetzt Schluss machen, ich bin auf dem Sprung.
    Du hast jemanden.
    Erraten.
     
    Seit Jahren wartet sie am Bahnsteig auf ihn. Ihr Arm hängt herunter, in der Hand hat sie nichts mehr. Man hat ihr den Koffer eines Abends weggenommen, als sie mit der Hand auf dem Bauch schlief, anstatt den Koffer festzuhalten und auf ihn aufzupassen. Als sie aufwachte, hat sie ihren Bauch angesehen, und sie hat sofort begriffen.
    Auf dem Bahnhof nennt man sie »Fundsache«. Und wenn man sie hinausführt, damit sie nicht im Weg herumsteht, nimmt man sie immer sanft am Arm, denn sie sagt: Wissen Sie, dass ich ein Baby erwarte?

Gratin
    Wir werden doch nicht nur grünes Gemüse zur Hammelkeule reichen, das wäre ja ein kärglicher Fraß. Ich gebe dir vollkommen recht, ich bestehe darauf, ich will ein Gratin dauphinois. All diese Anstrengungen, nur um ein paar Groschen zu sparen, sprechen Bände über seine Familie. Außerdem laden seine Eltern mehr Leute ein als meine; also sehe ich nicht ein, wieso meine Eltern für die Freunde seiner Eltern bezahlen sollen. Wir werden das anteilig berechnen.
    Es tut mir gut, ein wenig Zeit für mich selbst zu haben. Er hat mich enttäuscht mit seinem Hochzeitsumtrunk, er wollte lediglich Käsehäppchen und Quiche auftischen. Du hilfst mir mit den Cassolettes, ich kann doch auf dich zählen, oder?
     
    Seit ich seinen Heiratsantrag angenommen habe, nervt er mich nur noch. Na, was heißt hier schon Heiratsantrag? Er hat mich nach Honfleur mitgenommen, und ich habe darauf gewartet, dass er um meine Hand anhält. Nichts kam. Also sagte ich, es sei ja sehr nett von ihm, mich übers
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