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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
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Gegensatz zu mir, der ich mich nie freier gefühlt habe als seit unserer Heirat. Sagt sie. Ein Vorwurf. Wieder ein Vorwurf. Dieses Gefühl ist das Himmelreich für die Alte, ein Glücksfall, ein letzter Luxus.
     
    Heute Abend tanze ich nicht. Ich sehe zu, wie sie mit ihren Kollegen herumhüpft. Sie hat mich mit Jacques bekannt gemacht, dem fünfzigjährigen Bretonen. Wir sitzen zusammen, wir reden über sie, finden sie »nett«, dieses Wort benutzen wir wiederholt. In Bezug auf seine Gefühle verheißt das nichts Gutes. Der Rauch stört ihn, also gehen wir hinaus in den Garten. Er redet davon, welches Vergnügen es ihm bereiten würde, wegzugehen, abzuhauen und weit weg von allem zu sein. Er fragt, ob es mir gefallen würde, ihn zu begleiten.
     
    Und Thérèse sieht nichts. Sie steht mit ein paar Kolleginnen am Buffet und isst eine Kleinigkeit, zumindest tut sie so, doch wenn sie abnimmt, wird sie auch nicht jünger. Eines Tages, wenn sie zwei Flügel bekommt, wird sie wieder zunehmen. Das wäre gut, dann wäre sie schön.
    Sie scheint sich darüber zu freuen, dass ich mit Jacques spreche, sie denkt, ich wäre auf der Hut. Jacques vertraut mir an, dass er nicht mehr schlafen kann, seit er mein Foto gesehen hat. Er hat sich Thérèse genähert, um auf ihrer Haut meinen Duft zu riechen. Aber jetzt bin ich hier. Wir sitzen uns gegenüber. Und es ist nicht mein Foto, das er küsst.

Reisen
    Ich verließ dein Haus, ich kauerte mich an eine warme Mauer, ich öffnete leicht die Lippen und verlor alle Kraft. Als ich mich wieder aufrichtete, war der Baum an der Straße entwurzelt, liegend wartete er darauf, dass man ihn zersägte. Ein Mann mit einem Helm sah meine Tränen. Erstaunt und unsicher sagte er: Sie weinen. Und ich senkte den Kopf.
    Die Liebe war vorbei. Ich ging mit vollem Bauch – kein Hunger, der ihn höhlte, kein Ärger, der an ihm zehrte. Ich ging einfach weiter und blieb nicht stehen. Ich spürte, wie das Laub von den Bäumen fiel, ich hörte Männer mit Motorsägen, meine Rinde blätterte ab, ich war nackt, ich ging weg. Ich wusste nicht, in welcher Gestalt die Leere sprechen würde. Als sie kam, erkannte ich sie: Sie glich dir.
    Es war kein Brunnen, kein Graben, kein Spalt, es war keine Abwesenheit, sondern vielmehr Anwesenheit, eine Masse, gut platziert; du warst da, vor mir, aber unberührbar. Die Leere hatte eine Gestalt, einen Inhalt.
    Vor ihr hatte ich nicht das Gefühl zu versinken, sondern zu wachsen. Und mich festzuhalten, anstatt unterzugehen. Deine Abwesenheit, das warst du – dass du verschwunden warst, spielte keine Rolle –, du warst es, schon am Morgen, als du dich über das Bett beugtest. Du sagtest Worte wie früher: Bis heute Abend, ich ruf dich an, schlaf noch ein bisschen, bleib liegen, ich muss los, ich will jetzt keinen Kaffee, ich werde später eine Tasse trinken. Du warst es, plötzlich riefst du mich an, und ich zitterte, denn ich hörte nichts, und wenn ich dich bat, das Gesagte zu wiederholen, deutlicher zu sprechen, dein Motorrad auszumachen, wusste ich, dass du ungeduldig werden würdest, also habe ich einfach so Ja gesagt. Und dann rief ich dich zurück, um nicht in dem starken Gefühl leben zu müssen, dass wir uns missverstanden hätten, und ich stellte mir vor, wie du deinen geheimen Leidenschaften nachgehst, während ich die meinen pflegte, von denen ich dir erzählen würde. Ich atmete mit dir, und dann war plötzlich nichts mehr.
    Alles fiel mir wieder ein, die Vergangenheit, sie war nicht verschwommen, nicht undeutlich, sie verging nie, und ich fand es komisch, dass nichts aufhört, auch nicht deine Anrufe am Abend, die ich trotzdem so sehnlich erwartete. Ich erinnerte mich an dich, wie du weich fielst, in meine Arme, zu Hause. Wir schwiegen zusammen, sahen uns tief in die Augen; das hinterließ schöne Spuren.
    Ich legte mich schlafen, allein, und ich stieß dich an, denn du hast wieder auf mich gewartet in der Nacht, ganz nah. Ich legte mich hin, ohne die Decke zu berühren, die deine Seite verhüllte. Du sagtest, dein Leben sei eine Reise, meine Reise beendete ich in den Winkeln deines Gesichts. Ich ließ dich verschwinden.
     
    Ich nahm die Einladung zum Essen an. Der Mann war anders, er hielt Abstand zu mir, ich drückte mich an ihn. Er nahm meine linke Hand, wie um mich schwören zu lassen, ich küsste seine Finger, ich ließ zu, dass er mich liebte, er kam zu mir und fand seinen Platz, ohne den deinen einzunehmen, der Hund schmiegte sich an seine Knie, die Katze
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