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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord
Autoren: Daniel Imran
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früher oder später in die Klosterfestung des Dorfes zurückziehen müssen.
    Ein Dorf der Jesiden, zwei Kilometer nordöstlich von Iwardo gelegen, sagte den Aramäern seine Unterstützung zu und lieferte ihnen nachts heimlich Proviant.
    Ihnen ging allmählich die Munition aus. Isa befahl, nicht mehr wahllos auf die Moslems zu schießen. Sie müssten irgendeine Lösung für ihr Problem  finden.

 
    Am nächsten Tag hielten sich die Muslime am Mittag noch zurück, dann griffen sie am späten Nachmittag erneut die Christen an, blieben aber auf halber Strecke der Talebene zwischen ihnen und der Schutzmauer des Dorfes stehen. Der Raum für die tausenden Soldaten der Muslime wurde enger. Schließlich verfolgten sie die Strategie, alle drei Zugänge des Dorfes gleichzeitig anzugreifen. Die Männer des Ali Pascha persönlich zogen über die Nordseite über das Tal um das Dorf herum und griffen die Südseite des Dorfes an. Die Männer des Jüsbaschi zogen ostwärts und griffen die Aramäer von dieser Seite an.
    Die Lage war für die Aramäer aussichtslos geworden. Sie hielten sich hinter der Schutzmauer gedeckt. Schließlich griffen die Muslime an allen drei Stellen frontal an. Isa befahl seinen Männern, sich in das Kloster Mor Huschabo zurückzuziehen.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 
    Matthias
     
     
    „ Waffen 'runter, Moslem!“
    „ Du lässt deine Waffen 'runter, Schweinefleischfresser! Wir sind die Männer des Agha Bilad.“
    Der erst 16-jährige Gabriel zögerte, abzudrücken. Sein Gewehr 88, das sogenannte Kommissionsgewehr, ein altes, überholtes Gewehr aus Preußen, zitterte in seinen Händen. Er schwitzte aus allen Poren. Noch nie zuvor war er so nervös gewesen. Sein Herz raste und schlug so schnell wie die Räder einer Lokomotive.
    Matthias stand regungslos da, seine Arme nach vorne gestreckt, vor Angst erstarrt. „Es ist alles in Ordnung, Bruder. Er hat mir das Leben gerettet. Er wollte mir nichts tun. Lass gut sein, bitte!“
    Immer noch hielt Gabriel sein Gewehr gegen Muhammad Ali, Wesir des Agha Bilad, gerichtet. Normalerweise hätte Muhammad Ali nicht lange gezögert, sein neues Mauser Gewehr 98 schon abgedrückt und den unverschämten Aramäer von Christen abgeknallt. Aber irgendetwas in diesem Kurden hielt ihn zurück. Was es genau war, konnte er sich nicht erklären. Seine langen, ekligen und vom vielen Tabakrauchen gelb verfärbten Fingernägel tappten nervös auf den Auslöser seines Gewehrs. Der Wesir legte viel Wert auf die Sauberkeit und Pflege seines Körpers. Er roch gut und sein Gesicht war stets gut rasiert. Trotz dieser noblen Einstellung des Wesirs hatte er die ekelhaftesten Fingernägel ganz Kurdistans. Man munkelte, seine Frau würde sich dem Stützen seiner Fingernägel verweigern, aus Protest gegen dessen exzessivem Rauchen.
    Matthias wollte ein Blutvergießen verhindern. Die Schlange lag tot unweit von ihm auf dem Boden. Ihr Kopf zerfetzt von der Kugel des Muhammad Ali, genau auf einem Bündel von gelben Sträuchern. Jene gelben Sträucher, welche überall in allen Ecken und Dörfern den Boden des Tur Abdin schmückten.
    Gabriel riss sich zusammen und nahm die Waffe herunter. Der Wesir hielt den Lauf immer noch in Gabriels Richtung. Dann lachte er: „Idiotischer Lümmel! Glaub ja nicht, dass du damit einfach so davon kommen wirst. Du wirst dafür zahlen. Das verspreche ich dir!“
    Gabriel konnte sich dann doch nicht zurückhalten und nahm seine zusammengepressten schmalen Lippen wieder auseinander: „Wir müssen doch immer für alles zahlen! Daran sind wir doch gewöhnt!“
    Warum entledigte sich der Kurde nicht einfach dieses vorlauten und stinkenden Ungläubigen? Hätte er ihn abgeschossen, niemand hätte es gewagt, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Aber Ali lachte nur und stieg auf sein Ross. Er uns seine beiden Gefährten ritten auf türkischen Vollblütern, jene sogenannten Vollblutarabern, welche schwarz und einen Meter und 60 Zentimeter groß waren. Seine beiden schweigsamen Gefährten beobachteten Gabriel die ganze Zeit über mit ihren scharfen hellblauen Augen. Beide waren sie Türken und wollten sich wohl deswegen nicht in diese Angelegenheit einmischen. Sie kamen mit dem Wesir hierher nach Badibe geritten, um sich ein näheres
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