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Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)

Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)

Titel: Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
Autoren: Jennifer Jäger
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Prolog
    »Du darfst nicht einschlafen!«
    Panisch packt sie ihn an den Schultern. Durch die heftige Bewegung löst sich eine ihrer goldenen Locken und fällt ihr in die Stirn.
    »Bitte!«
    Tränen rinnen über ihr verschmutztes Gesicht. In den Katakomben ist es heiß und modrige Ausdünstungen rauben die Luft zum Atmen. Obwohl sie um die Sinnlosigkeit ihrer Flucht wissen, haben sie sich hierher zurückgezogen.
    »Wenn du einschläfst, wachst du nicht mehr auf. Bitte!«
    Der Junge blinzelt und lächelt.
    »Vielleicht träume ich dann für immer von dir.«
    »Bitte!«
    Ihre zarte Gestalt wird von Schluchzern geschüttelt. Mit ihrer Hand schöpft sie etwas von dem dreckigen Wasser aus dem Kanal und schüttet es in das Gesicht ihres Freundes. Eine Ratte quietscht in der Dunkelheit, blitzende Augen beobachten die Szene, warten auf das Festmahl. Die junge Frau packt die Taschenlampe fester und leuchtet damit ihrem Freund in das Gesicht.
    »Schatz, bleib bei mir!«
    Sinnlose Flucht. Man kann vor der Regierung und ihren Mitarbeitern fliehen, aber dem Schlaf kann man nicht entkommen. Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass es zu spät ist, aber sie will es nicht wahrhaben.
    »Singst du noch einmal das Lied für mich?«
    Heftig schüttelt sie den Kopf. Dabei fliegen ihre blonden Locken hin und her.
    »Du musst bald gehen. Noch wissen sie nicht, dass wir ... du kannst ... entkommen«, nuschelt er leise und kaum verständlich.
    Das Mädchen unterdrückt einen heftigen Aufschrei und packt ihn erneut an der Schulter.
    »Ich kann nicht ewig wach bleiben.«
    Diese Worte brechen ihren letzten Widerstand. Sie sieht der unausweichlichen Realität ins Auge und weiß, dass sie den Tod nicht aufhalten kann.
    Mit bebenden Lippen fängt sie an zu singen:
    »Leg dich hin und träume sanft, mein Kind.
    Schlaf ruhig ein in dieser Nacht.
    Sie beschützen dich, sind immer da,
    bis du am nächsten Tag erwachst.
    Leg dich hin und schließe die Augen, mein Kind.
    Schlaf ruhig ein in dieser Nacht.
    Sie beschützen dich, sind immer da,
    bis du wieder erwachst.
    Leg dich hin und gib gut Acht, mein Kind.
    Schlaf nicht zu lange in dieser Nacht.
    Sind sie erzürnt, schützen sie dich nicht
    und du wirst nie wieder wach.«
    Ihre glockenhelle Stimme hallt in den leeren Wasserkanälen wider und verliert sich in der Finsternis. Der Kopf ihres Freundes fällt auf ihren Schoß.
    Sie weiß, dass es vorbei ist. Ihr Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und sie streicht ihm ein letztes Mal durch das dichte, schwarze Haar. Sie erinnert sich an all die schönen Momente, die sie miteinander erlebt haben. An sein Lachen, seine glänzenden Augen, wenn er einen Scherz machte. Sein Körper ist noch warm und er ist so ruhig, dass sie fast glaubt, er würde nur schlafen. Sie hofft, dass er den Schlaf überlebt, dass er immun und das alles nur ein böser Albtraum ist. Minutenlang starrt sie ihn an und redet ihm zu, dass er wieder die Augen öffnen und zu ihr zurückkommen soll.
    »Es ist nicht die richtige Zeit für solche Scherze«, murmelt sie leise lächelnd, während die Tränen ihre Worte Lügen strafen. In ihrem Inneren weiß sie ganz genau, dass er seinen letzten Atemzug getan hat. Sie will es nicht wahrhaben und schüttelt ihn erneut. Nichts geschieht.
    Wenn sie zurück an die Oberfläche gehen würde, könnte sie fliehen und normal weiterleben. Aber allein die Vorstellung an ein Leben ohne ihn ist schlimmer als die Angst vor ihrem eigenen Tod. Sie würde ewig von der Sehnsucht nach ihrem Freund aufgezehrt werden, würde keine ruhige Minute finden und nur noch an ihn denken. Zitternd und schluchzend legt sie sich neben ihren Geliebten und schmiegt sich an seine Brust, in der kein Herz mehr schlägt. So wartet sie auf das Ende.

Erstes Kapitel
    Langsam geht die Sonne auf und vertreibt die letzten Schatten, die sich hartnäckig zwischen den gläsernen Hochhäusern halten. Auf den Straßen ist bereits Hochbetrieb. Autos rasen umher, Flüche werden ausgestoßen und Hupen betätigt.
    »Hailey, aufstehen!«
    Die laute Stimme dringt in den Kopf des jungen Mädchens und zwingt sie dazu, die Augen zu öffnen. Ihr Verstand fängt langsam an zu arbeiten und sofort beißt sie sich schuldbewusst auf die Unterlippe. Sie kann sich an keinen Traum erinnern. Wieder eine Nacht ohne Traum und das, obwohl ihre Dosis gestern erneut erhöht wurde.
    Ihre Mutter steht bereits wartend im Türrahmen und sieht sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Die feine Nase und die hohen Wangenknochen hat
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