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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord
Autoren: Daniel Imran
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etwas vor sich hin.
    Die beiden jungen Männer kamen zurück, mit ihnen brachten sie den verwundeten Kurden auf dem Ross und den Türken.
    „ Bei Christus, das ist doch der Wesir, der Stellvertreter des Agha Bilad“, sagte Aljas. Die Worte blieben ihm im Halse stecken.
    „ Wenn er stirbt, sind wir verloren!“, schrie eine Stimme aus den hinteren Reihen.
    „ Bringt ihn in mein Haus. Meine Frau und ich werden uns um ihn kümmern. Du, Thomas, reite nach Kafro und hole den Arzt Abdullah hierher. Brich sofort auf!“
    Thomas verneigte sich vor dem Priester und küsste seine rechte Hand. Er lief in Richtung des Dorfes.
    Der Türke gab immer noch kein Wort von sich.
    „ Ihr seid in meinem Haus willkommen. Wir werden uns um den Wesir

 
    kümmern“, sprach der Priester den Mann auf Türkisch an. Die Regung in des Türken Gesicht deutete Erleichterung und Freude zugleich an. Er verneigte sich vor dem aramäischen Geistlichen.
    „Beruhigt euch alle! Bringt Gabriel in die Kirche. Ich werde ihm dort die letzte Ölung geben.“
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 
    Meridschan
     
     
    Er öffnete seine Augen. In dieser Höhle, irgendwo auf halber Wegstrecke zwischen Badibe und Sederi, hatte er die Nacht verbracht. Die Tage wurden immer heißer, bald würde der Hochsommer kommen.
    Er schwitzte am ganzen Körper. Nicht eine einzige Brise erfrischte sein Gesicht, so stickig war es hier.
    Die Hitze aber konnte ihm nichts anhaben. Er nahm sie nicht wahr. Hatte er doch einen Tag zuvor das Unfassbare miterlebt. Oder war das alles nur ein schrecklicher Albtraum, aus dem er gerade aufgewacht war?
    Der Tag war herrlich gewesen und er wollte durch die Berge streifen, wie er es so oft tat. Für die Viehzucht wollten sie ihn nicht einsetzen, ebenso nicht als Hirte der Schafe und Ziegen seines Vaters. So hatte er stets die Gelegenheit genutzt, sein heimliches Versteck in den Bergen nördlich des Dorfes aufzusuchen und dort ganze Tage und Nächte zu verweilen. Er mochte nicht die Gesellschaft der Alten des Dorfes. Noch viel weniger mochte er die Gesellschaft der Kinder des Dorfes. Die aramäischen Kinder waren von Natur aus frech und zügellos. In seinem Geheimversteck in jener Höhle hatte ihn bisher noch nie jemand entdeckt. Er genoss die Stille und die Einsamkeit. Dort studierte er die Bücher des Abuna.
    Matthias sprang auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Für einen kurzen Moment lächelte er sogar, denn er hielt die Albtraum-Hypothese für sehr wahrscheinlich.
    Nein, das alles war tatsächlich geschehen.
    Verzweifelt winselte er und eilte in der Höhle auf und ab.
    Sein Bruder war seinetwegen ums Leben gekommen. Er würde nicht mehr in sein Dorf zurückkehren können.
    Er hielt inne und überlegte, was er tun sollte.
    Vorerst musste er sich vergewissern, was geschehen war. So lief er los in Richtung Badibe. Er nahm nicht den Landweg, um niemand unterwegs zu begegnen. Es gab eine Abkürzung über die Berge nördlich des Dorfes. Von dort aus schlich er sich durch das Gehege und näherte sich dem Tal des Dorfes und beobachtete heimlich das Treiben der Menschen unten.
    Er sah die klagenden Frauen und den aufgebahrten Leichnam seines Bruders auf dem Friedhof nebst dem Kirchhof.
    Tränen traten wieder aus seinen Augen. Warum hatte er nie Glück, fragte er sich.
    Ängstlich duckte er sich, er glaubte, jemand habe ihn gesehen. Er konnte nichts von den Stimmen unten verstehen, jedoch würden sie mit Sicherheit nach ihm fragen.
    Die Furcht überkam ihn, als er ein Rascheln zu seiner Rechten vernahm. Da war jemand. Die Gestalt trat langsam auf ihn zu. Nicht schon wieder jemand, welcher ihm etwas antun wollte, dachte er. Warum nur hatte er nie Glück?
    Er nahm all seinen Mut zusammen und drehte sich um. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, für einen Moment war er blind und konnte niemand erkennen. Er fiel nach hinten zurück. Nun saß er aufrecht auf dem Boden.
    Die Gestalt vor ihm kicherte.
    Seine Augen schärften sich von Augenblick zu Augenblick. Er überschattete seine Augen mit seiner linken Hand.
    Vor ihm stand nicht ein Mann sondern eine Frau.
     
    „ Sie können sich nicht vorstellen, wie mein Herz erleichtert ist, dass Ihr rechtzeitig gekommen seid.“
    „ Ja, Abuna, wir hatten Glück. Wäre ich nur eine Stunde später hier eingetroffen, wäre er seinen Verletzungen erlegen.“
    Abdullah Raschid, ein
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