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Liebe stand nicht auf dem Plan

Liebe stand nicht auf dem Plan

Titel: Liebe stand nicht auf dem Plan
Autoren: Elisabeth Rapp
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verletzten Finger.
    »Kannst du die Pakete zur Post bringen?«

    »Ich hab mich verletzt.«
    »Lass mal sehen.«
    Maika hält ihm ihre Hand hin. Er schaut sich das arme Fingerchen an und drückt ein bisschen.
    »Aua.«
    Mehmet verdreht die Augen.
    »Knick mal«, sagt Leif.
    »Ich glaub, es ist nichts gebrochen«, schnurrt Maika tapfer und macht Kulleraugen für den fürsorglichen Chef. Mit der heilen Hand nimmt sie die Päckchen an sich und schlendert, ohne Mehmet anzusehen, an der Bar vorbei durch den Vorraum. Leif verschwindet im Büro, und Maika öffnet die Tür, um sie sofort wieder zuzuhauen. Ein sabbernder Pitbull sitzt davor. Maika dreht sich auf dem Absatz um und holt eine Schüssel aus der Bar. Sie füllt sie mit Wasser, geht zurück, öffnet die Tür einen Spalt und schiebt sie dem Vieh hin. Es säuft. Sie geht an ihm vorbei.
    Ohne hinzusehen, lässt sie ihren verletzten Finger über die Handytastatur flitzen und tippt 112 ein. Im Vorbeischlendern sagt sie freundlich zu dem Muskeltypen an den Mülltonnen, der dem vom Vortag zum Verwechseln ähnlich sieht: »Du solltest deinen Hund anleinen. Der Arme kriegt sonst bloß noch Ärger.«
    Mit dem Daumen auf dem Anruf-Knopf spaziert sie aus dem Hinterhof, biegt rechts ab und geht an den Bars vorbei. Hinter sich hört sie das entschlossene Quietschen der Turnschuhe des Muskeltypen, einen scharfen Pfiff und Hundetapsen auf Asphalt.
    Am Eingang zur Peepshow ist die Putzfrau im Begriff, einen Eimer Dreckwasser auf die Straße zu kippen. Maika nickt ihr zu und weicht mit einem Hüpfer zur Seite dem Schwall Putzwasser aus.
    Hund plus Herrchen hinter ihr kriegen was ab.
    »Ey! Spinnst du!«, hört sie den Typen brüllen. Als sie sich umdreht,
sieht sie die beiden durch die Wasserlache waten und wutschnaubend im Eingang verschwinden.

    Die Bühne ist hergerichtet, und die Schrubberdancer haben sich bis an die Bar rangeschrubbt, als Maika die Tür aufreißt.
    »Leute! Wir kriegen Ärger!«
    Mehmet lässt sofort alles fallen. Maika ist stinkfaul, aber niemand kennt sich auf dem Kiez besser aus als sie, und wenn es Stress gibt, riecht sie das auf 2 km Entfernung.
    »Wo ist Leif?«, fragt sie und erfährt »weg«.
    »Habt ihr die Pitbull-Typen vorm Club gesehen?«
    »Meinst du den von gestern?«, will Nora wissen.
    »Den und mindestens noch zwei andere«, sagt Maika.
    Mehmet und Keath sind weder Hunde noch Halter aufgefallen. Nicht vorm Club.
    »Seht ihr meinen zerschmetterten Fingernagel? Bald ist der so schwarz wie Keath. Er soll abfallen, wenn diese Pitbull-Typen uns nicht den größten Stress aller Zeiten bereiten.«
    Wie, was ist …?
    Maika ist sich der Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer sicher. Sie berichtet von ihrer Begegnung mit dem Typen, der den Eindruck macht, als wolle er in der Liga der Kiezgrößen mitmischen.
    Das klingt übel. Auch wenn Maikas Stimme vor Sensation und »Huhu« vibriert, kommt es in der Nachbarschaft oft genug vor, dass Läden zur Aufgabe gezwungen werden, weil sie denen, die im Quartier die großen Geschäfte machen, im Weg sind oder aus anderen Gründen nicht passen. Schutzgelderpressungen sind verbreitet in der Gegend, und wenn ihnen nicht entsprochen wird, brennt es, oder jemand hat einen Unfall. Auch andere Formen roher Gewalt kommen vor.
    »Wir müssen es Leif sagen«, meint Maika.

    »Nee, lass mal«, sagt Mehmet, »Leifs Nerven sind im Moment nicht die besten. Erst mal abwarten.«
    Seine Stimme hat einen neuen Klang, findet Nora. Bisschen autoritär klingt er.
    »Hello, hello! Anybody there?«, brüllt jemand im Vorraum.
    Die drei Musiker der Polite Punks plus Equipment rücken an und ziehen ihre Kisten über den frisch gewischten Boden.
    Mehmet grinst: »Vorm Ärger gibt’s jetzt erst mal sauberen, ehrlichen Megakrach, Leute.«
    Genau das ist es, worauf alle warten. Maika vergisst auf der Stelle Wunden, Schmerzen und Bedrohung. Sie streckt den Rücken durch, die Brust raus, schlendert hinter die Bar und will wissen, wer was trinken will. Mit dem Hauch eines Lächelns im äußersten Mundwinkel serviert sie das gewünschte Bier auf die Bühne, als handle es sich um gekühlte Pullen Ambrosia. Das gefällt den höflichen Punks, und ihre Augen blitzen.
    Die Welt wird von echt schrägen Reflexen und Instinkten regiert, denkt Nora und tanzt, während Mehmet das Mischpult regelt, die Polite Punks jammen und Maika flirtet. Keath bereitet den Einlass vor. In einer Dreiviertelstunde geht’s los. Bis dahin walkt und gerbt der Drummer ihre
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