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Liebe stand nicht auf dem Plan

Liebe stand nicht auf dem Plan

Titel: Liebe stand nicht auf dem Plan
Autoren: Elisabeth Rapp
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macht die Deckenlampen nicht an. Die Rollos sind noch heruntergezogen. Nur durch die Tür fällt Licht, und was es zu Tage bringt, sieht sehr trostlos aus, wenn man allein davorsteht. Wo kommt um Himmels willen bloß der ganze Dreck her? Vermutlich haben gestern nach dem Regen 599 Schuhe den Matsch reingeschleppt … Quatsch, 599 geht nicht, muss ja durch 2 teilbar sein. Von einem einbeinigen Tänzer hätte sie gehört. Also, 598 Füße haben den Straßendreck breitgetreten und in den Boden gestampft. Dazu kommen noch Bierdeckel, Bahntickets,
Haarspangen, verschüttete Drinks, abgerubbelte Handykarten und was den Leuten sonst noch aus den Händen, Haaren und löchrigen Hosentaschen gefallen ist. Alles wird zu Staub, und sie macht ihn weg. Sie ganz allein. Immer bleibt alles an mir hängen, denkt Nora, während sie langsam rückwärtsgeht und fegt, bis sie aus den Augenwinkeln heraus schräg hinter sich etwas mehr ahnt als sieht, was da definitiv nicht hingehört. Zu hastig versucht sie, den Fuß hochzureißen, und über die Stange, die ihr den Weg verstellt, rüberzusteigen. Doch dann kämpft sie vergeblich um ihr Gleichgewicht, lässt den Besen fallen, rudert mit den Armen und knallt auf den Hintern. Irgendein Depp, vermutlich Mehmet, hat eine lange Holzleiste schräg gegen das Rollo gelehnt. Was soll das? Weg damit! Nora rappelt sich hoch, greift danach und greift ins … Leere.
    Sie kommt sich ertappt und so unsäglich blöd vor, dass sie sich schnell umsieht, ob sie wirklich allein ist. Dann fährt sie mit der Hand noch einmal durch die vermeintliche Holzleiste, Baulatte, was auch immer … Es ist Licht! Nora sieht so genau hin, dass sie es mit der Nase berührt. Mitten im Rollo ist eine Ecke eingerissen. Von draußen knallt ein Lichtstrahl schräg in den dämmrigen Raum. Der dichte, tanzende Staub im Licht hatte sie glauben lassen, es sei feste Materie, eine Holzleiste eben. Wow, eine Illusion. Philosophie, hihi. Ein Wunder! Begeisterung breitet sich in Nora aus, und sie lacht und bewegt ihre Finger im Lichtstrahl. Dann hustet sie. Iiieh, würg! Straßendreck, Hundescheiß, Müll, alles tanzt in feinsten Partikeln und homöopathischen Dosen durch den Raum, und sie atmet es ein!
    Nora biegt die eingerissene Ecke im Rollo zurück. Der Spuk verschwindet. Auch ihre schlechte Laune ist weg, und sie beschließt, sich ebenfalls vom Acker zu machen.
    Fünf Minuten später ist Nora mit ihrem Rad am Real -Supermarkt
angelangt. Sie steigt in die Pedale und fährt die Rampe hinauf aufs Parkdeck. Darüber ist im gesamten obersten Geschoss der türkische Kültürverein untergebracht und unterscheidet sich nur durch die geschlossenen Wände vom darunterliegenden Parkdeck. Keath winkt ihr vom anderen Ende zu. Trotz seiner zwei Meter wirkt er in dem riesigen Raum winzig.
    So ist das also. Mehmet zieht jede verfügbare Arbeitskraft für die Organisation seiner privaten Familienfeier ab, obwohl es kaum vorstellbar ist, dass hier ein rauschendes Fest stattfinden können soll oder jemals wird. Das Ambiente hat den Charme einer leer geräumten Flugzeughalle. Neonröhren summen, ein paar flackern unangenehm.
    »Wo ist Mehmet?«, brüllt Nora zu Keath hinüber.
    »Hier«, klingt es gedämpft. Sein Turnschuh lugt unter einem alten Ladenregal hervor.
    Nora geht um das Möbel herum. Es ist das einzige im Raum und etwas höher als ein Tisch. Mehmets Anlage steht darauf.
    Er selbst steckt bis zur Brust darunter, streckt die Hand nach der Kabeltrommel aus und verfehlt sie um ein paar Zentimeter. »Schieb mal rüber.«
    Er fummelt den Kabelstecker unter dem Regal vor. »Mach mal an.«
    Nora schließt die Anlage an.
    Mehmet hält ihr die Hand hin. »Zieh mal.«
    Mehmet steckt fest. Da kann er Kommandos raushauen, so viel er will, und sie an ihm zerren, so viel sie will. Es bringt nichts.
    »Blas dich nicht so auf«, keucht sie. »Du bist doch auch druntergekommen. « Bevor sie ihm den Arm ausreißt, lässt sie los und pfeift einmal gellend durch die Finger.
    Mehmet verzieht das Gesicht und murmelt was von »Super Akustik«.

    Keath braucht keine Sekunde, um die Situation zu erfassen. »Ah, du kommst nicht mehr raus, mein Freund.« Er hebt das schwere Regal ein paar Zentimeter an und keucht: »Komm schon, sonst bist du doch auch nicht so verklemmt.«
    Noch einmal zieht Nora kräftig, und Mehmet ist frei. Er bleibt flach auf dem Boden liegen. Keath sieht aus, als ob er seine flunderartige Lage kommentieren wolle. Mehmet sagt: »Zisch ab,
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