Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe stand nicht auf dem Plan

Liebe stand nicht auf dem Plan

Titel: Liebe stand nicht auf dem Plan
Autoren: Elisabeth Rapp
Vom Netzwerk:
das in alter Tradition, denn früher wurde hier Eisen gegossen, geschmiedet und gehämmert. Es steckt noch in den Ziegelwänden. Der Raum ist groß genug für dreihundertfünfzig und ein paar zerquetschte Leute.
    »Weshalb will Leif mit uns reden?«, fragt sie und sieht Mehmet an.
    »Keine Ahnung. Vielleicht gibt’s Probleme, vielleicht ein Lob
für gute Leistungen, vielleicht sogar ein Geschenk vom Chef?« Er macht sich keine Sorgen.
    »Haben wir was falsch gemacht?«
    »Wir?« Mehmet sieht Nora an, als wär sie nicht ganz dicht. »Wenn hier was richtig gut ist, dann die Qualität unserer Reinigungsarbeit, das steht zweifelsfrei fest. Beim Einlass gibt’s oft Zoff, aber den kriegt Keath ab, und der kann nichts dafür, wenn welche schon breit und verstrahlt ankommen.« Pause. »Und Maika reißt sich bei der Arbeit zwar kein Bein aus, aber dafür wickelt sie Leif derart um den Finger, dass der garantiert nicht an ihr rumkritisiert. Du kennst sie ja.«
    »Kennen ist übertrieben.« Sie kann sich umsonst ihre Cola bei Maika an der Bar holen. Dann sagen sie »Hi, wie geht’s?« – »Alles klar« zueinander. Sie ist älter als Nora und kommt meistens erst zum Soundcheck der Bands. Sobald Kerle in der Nähe sind, ist Nora sowieso unsichtbar für sie. Es sei denn, Maika will sich Geld von ihr leihen, was sie schon ein paarmal getan hat, ohne es bis jetzt zurückzuzahlen. Mehmet dreht die Anlage auf Putzmusiklautstärke. Er sieht Nora erwartungsvoll an. Eine Mischung aus Oriental Wave und Beat Age fährt ihr in die Beine.
    »Hast du das etwa gemischt?«, fragt sie baff.
    Er nickt, und sie sperrt den Mund auf. »Mann, das ist … der Hammer!«
    Um nicht zu zeigen, wie sehr es ihn freut, dass sie beeindruckt ist, schnappt er sich den Mopp und schwingt sich auf die Bühne. Eines Tages wird er hier oben nicht mehr putzen oder Kabel abkleben, für andere Mikros aufbauen und die Elektrik zusammenstöpseln. Nein, er wird der verdammt beste DJ sein. Feiern wird er zur fünften Dimension erheben und restlos alle zum Ausflippen bringen. Das steht fest. Sein Herzschlag hämmert es in die Hirnrinde. Es ist sein Ziel, es ist alles, was er will, seit zehn(!)
Jahren. Inschallah. Die Bühne gehört ihm. Seine Mutter hat ihn hergeschleift. Gebrüllt hat er wie verrückt. Genau hier oben hat er sich zuerst den Rotz abgewischt und dann den Verstärker. Mit sieben. Kein Tag vergeht, an dem seine Mutter nicht die Hände ringt und sich wünscht, sie hätte niemals den Putzjob im Club angenommen. Aus seinem Gebrüll von damals könnte er heute einen Orkan machen, der den Kiez leer fegt. So wie Nora, die mit dem Besen zu seiner Musik durch den Saal rockt. Nora, seine Lieblingssolotänzerin.
    Mehmet hat was gut bei ihr, weil er ihr den Job vermittelt hat. Das einzig Blöde ist, dass ihre Hose dauernd rutscht. Dreimal die Woche kommt sie nicht zum Essen, weil sie direkt von der Schule zum Club düsen muss. Bald ist sie sechzehn und erst einen Meter sechzig groß. Nora träumt von einem Meter achtundsechzig und hat Schiss, dass sie nicht mehr wächst, wenn sie nicht ausreichend futtert. Wieso ist es plötzlich still? Wo ist Mehmet?
    Er stößt mit dem Rücken die Tür zum-Klo auf, dreht sich um und starrt sie mit ausdrucksloser Miene an. Da drin sauber zu machen, ist die härteste, übelste, gemeinste Herausforderung, die es gibt. Zwölf Kabinen nackter, gekachelter, vollge… kritzelter Wahnsinn.
    Nora grinst: »Spiel’s noch mal und ’n Tick lauter! So schnell waren wir noch nie.«
    Das erledigt er sofort und leidenschaftlich gern. Sie hat den Boden gewischt, ist verschwitzt und zieht sich mit einem Ruck das langärmlige T-Shirt über den Kopf. Drunter trägt sie ein blaues Unterhemd. Mehmet will was sagen, schluckt es runter und haut ab in die Musikergarderobe. Er findet sie süß. Sehr süß. Schon lange, aber sie bewegt sich keinen Millimeter von der Putzpartner-Kumpelebene weg in die richtige Richtung, nämlich in seine. Mehmet, der Löwe, ist bereit. Nora im Hemdchen,
das ist für seine Vorstellungskraft verdammt hart am Nacktputzen. Durch die magische Kraft seiner Musik hat sich seine polnische Elfe entblättert. Er ist drauf und dran, den Pegel bis zum Anschlag aufzuziehen. Vielleicht zieht sie dann sogar die Hose aus, die ihr so verdammt sexy über das Hüftknöchelchen rutscht.
    Die-Toilette ist dran, und Nora kämpft mit Ekelattacken. Zehn Minuten später wirft sie die Handschuhe in den Müllsack. Das Meeting rückt näher, und der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher