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Liebe stand nicht auf dem Plan

Liebe stand nicht auf dem Plan

Titel: Liebe stand nicht auf dem Plan
Autoren: Elisabeth Rapp
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Magen knurrt. Die Putzerei kostet sie das letzte Gramm Speck, und ohne Essen bleibt für sie nur übrig, mit den Aufgaben zu wachsen. Zum Beispiel muss sie dringend üben, wie man sich locker unterhält. Alle können das, bloß sie nicht. Wenn Keath was zu ihr sagt, reagiert sie immer mit »Ja, hm, find ich auch«. Dabei ist er total nett. Nora trinkt eine Wasserflasche leer, während sie mit der rechten Hand die Bar sauber macht. Aus der Geschirrspülmaschine schlägt ihr Dampf entgegen.
    »Superguter Sound«, sagt Keath hinter ihr. Er hat schon eine Weile zugesehen, wie sie im Takt dazu herumwischt.
    »Find ich auch«, sagt Nora. Sie zieht ihr T-Shirt wieder über und fragt sich wütend, ob das ein beknackter Reflex ist. Als sie mit ihren wirren Haaren nicht mehr im Halsausschnitt feststeckt, sagt sie schnell: »Mehmets Mix. Unglaublich. Er hat’s echt drauf.« Dann verschwindet sie unter der Spüle, zerrt den Abfalleimer vor und stellt sich drauf. Anders bekommt sie die Gläser nicht auf die Ablage. Aber da oben ist es gut, sie hat den Überblick und überragt sogar Keath. Er sieht zu Mehmet rüber, tanzt ein paar Takte und reckt den Daumen in die Höhe.
    »Regnet’s noch?«, fragt Nora über die Schulter und denkt, wer sagt’s denn, geht doch, das ist Smalltalk, ich kann das.
    »Gerade aufgehört. Unglaubliche Wassermassen und zack, vorbei, als wär nichts gewesen«, sagt Keath und füllt am Wasserhahn
eins der frisch gespülten Gläser. Er will trinken, aber Nora starrt ihn plötzlich an, als sei er zum Wundertier mutiert. »Was ist?«
    »Das sieht aus, als hättest du Perlen auf dem Kopf«, sagt Nora begeistert und räumt ein paar Flaschen aus dem verspiegelten Regal. »Kuck.«
    Die Regentropfen in seiner Naturkrause zittern und reflektieren die bunte Barbeleuchtung. Keaths Vater ist Nigerianer, seine Mutter Deutsche, und erträgt auf dem Kopf eine Krone aus Wasserperlen.
    Die Tür zum Vorraum fällt ins Schloss. Nora zuckt zusammen, als Leif Borg, ohne sie eines Blickes zu würdigen, laut sagt: »Geht das auch leiser!«
    Es ist keine Frage. Mehmet ist bei der Anlage und reagiert sofort. Leiser geht immer. Leif verschwindet im Büro, reißt die Tür wieder auf und ruft: »In fünf Minuten, hier bei mir, alle!«
    Keath nickt ihm zu. Dann schüttelt er so heftig den Regen aus den Haaren, dass Nora sogar hinter der Bartheke noch Tropfen abkriegt. Er grinst sie an, aber sie spürt eine Faust in ihrem leeren Magen und weiß jetzt ganz genau, dass es weder Lob noch Geschenke vom Chef geben wird.
    Während Keath Mehmet wortreich zu seinem Putz-Mix gratuliert, schleppt sie die Müllsäcke nach draußen. Nora atmet tief durch und versucht, ihre Schlüsselabgabe-Beklemmungen mit dem Müll zu entsorgen, als Maika in quietschgrünen Stiefeletten auf sie zu schlendert.
    »Ist Leif schon da?«, fragt sie ohne einen Hauch von Nervosität. Nora nickt, folgt ihr und studiert ein Phänomen. Mit jedem Schritt werden Maikas Beine länger. Kein Mädchen hat das so drauf wie sie, das muss man ihr lassen. Sie verfügt über eine Art Manga-Maika-Hydraulik in den Gelenken und im Drüsengewebe,
denkt Nora. Selbst von hinten kann sie sehen, wie Maikas Busen die Bluse spannt, je mehr sie sich dem Testosteronfeld nähern.
    »Wo?« Maika dreht sich zu Nora um.
    Der oberste Knopf ist kurz vorm Abplatzen, und Nora kneift sicherheitshalber die Augen zu. »Büro.«
    Maika öffnet den Knopf und grinst Nora an. Ihr Spitzen-BH ist pink, und wenn es ein Push-up wäre, wäre das ein Pleonasmus, wie Nora im Deutschunterricht gelernt hat, so wie sie selbst zum Glück keine tote Leiche ist, obwohl sie ein kleiner Zwerg ist, zur vollsten Zufriedenheit ihrer Mutter, die auch nicht größer ist, aber ständig an Noras wirrer Haarfrisur rumkritisiert. Maikas Busen ist, und das ist eine schlichte Tatsache, von Natur aus optimal aufgepusht. Noras Gedanken rasen, während sie sich in Leifs Büro in der Nähe der Tür unsichtbar macht.

    Nach drei Minuten ist das Meeting, das mehr den Charakter einer Verkündigung hat, vorbei. Der Chef gibt lediglich bekannt, dass er künftig erst um 22 Uhr kommt, die Bands von zu Hause aus bucht und Mehmet die Tontechnik übernehmen soll. Die Stelle des Tontechnikers wird gestrichen, dafür bittet er die vier, künftig mehr zu arbeiten. Mehmet, der am längsten im Club jobbt, soll vor 22 Uhr Putz- und Bardienst, Kartenverkauf und Einlass so einteilen, dass alles reibungslos abläuft. Ab 22 Uhr übernimmt dann, wie bisher,
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