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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Professor … Sie nehmen Pierre zu sich, und wenn ich Sie auf den Knien bitten müßte –«
    Professor Mauron war so klug, es darauf nicht ankommen zu lassen. Und so bekam Pierre dieses Zimmer auf der Gynäkologie, nachdem Mauron mit seinen Kollegen, die eigentlich zuständig waren, lange über den Fall gesprochen hatte. Alles, was sonst die Hierarchie eines Hospitals ausmacht, war damit auf den Kopf gestellt.
    »Pierre de Sangries ist ein Genie, meine Herren«, hatte Professor Mauron gesagt. »Ein Genie, das keiner von uns mehr retten kann. Gewähren wir ihm die Großzügigkeit der Ausnahme. Van Gogh starb im Wahnsinn, und der zweite van Gogh – Pierre de Sangries – geht an einem Hundewurm zugrunde. Wenn das Schicksal ein greifbares Wesen wäre, würde ich es in den Arsch treten!«
    »Er kommt!« sagte Callac, als es an der Tür kratzte. Das ›Gebetbuch‹ riß sie auf, und Bouillon stürzte ins Zimmer.
    »Ein Teil von ihm«, sagte der ›Rote Henry‹. »Immerhin … wir haben es geschafft. Pierre ist in Paris. Freunde, haltet eure Herzen fest!«
    Der Lift bremste, man hörte es deutlich durch die offene Tür, die Lifttür schwang auf … die Räder eines Rollbettes quietschten. Man hatte unten bei der Aufnahme darauf bestanden, daß sich Pierre sofort wieder hinlegte. Starr saß Madame Coco auf dem Stuhl neben dem Bett, Callac stand noch immer am Fenster, das ›Gebetbuch‹ wartete an der Tür, der ›Rote Henry‹ lehnte an der Wand und zuckte mit den Mundwinkeln und Ponpon, der Gummimensch, wischte sich das eine, übriggebliebene Auge.
    »Wie benehmt ihr euch?« sagte das ›Gebetbuch‹ ernst und blickte zurück ins Zimmer. »Er ist noch nicht tot. Er lebt! Er diskutiert mit einem Arzt. Seid ihr eine Trauergemeinde? Pierre hat immer das Lachen geliebt … zum Teufel, lacht, macht ein fröhliches Gesicht, freut euch, daß er da ist! – Pierre –«
    Er breitete die Arme aus und verschwand im Gang. Und dann hörten sie Pierres Stimme, wie er laut sagte:
    »Es ist schön, dich zu sehen, du Clown Gottes.«
    Pierre war zurückgekommen.
    *
    Eine Woche lang wurde Pierre de Sangries untersucht … er ließ es über sich ergehen, er kannte die Ergebnisse aller Röntgenaufnahmen, aller Blutanalysen im voraus. Die Ärzte sprachen nicht viel darüber, und er amüsierte sich, daß sie in seiner Gegenwart lateinische Worte herumschleuderten, statt klar zu sagen: Es ist aussichtslos. Die Leber ist zerstört. Gute Nacht, Pierre de Sangries.
    Professor Mauron sagte es dafür Callac sehr deutlich: »Es ist schlimmer, als wir befürchtet haben. Ich will Sie nicht mit medizinischen Erklärungen quälen, Monsieur Callac, sondern nur ganz deutlich sagen: Es gibt keine Rettung mehr. Hier können wir nur noch lindern …«
    »Das heißt«, hatte Callac mit belegter Stimme erwidert, »Sie können Pierre das Sterben erleichtern.«
    »Genau. Erklären Sie es bitte Madame Lebrun.«
    »Ich? Warum nicht Sie?«
    »Ich glaube, Sie können es besser, Monsieur«, sagte Professor Mauron weise.
    »Und was geschieht jetzt mit Pierre?«
    »Er darf nach Hause. Die Behandlung kann ambulant erfolgen. Es hat keinen Sinn, ihn wochen- oder monatelang hier herumliegen zu lassen und etwas an ihm zu tun, was jeder Hausarzt kann. Wenn es ganz hart wird … dann hat er hier immer ein Bett.«
    »Ganz hart … das ist das Letzte, nicht wahr?« sagte Callac tonlos.
    »Ja.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Das wissen wir nicht. Wir werden versuchen, den Leberzerfall aufzuhalten und diesen verdammten Wurm doch noch zu vernichten. Aber es ist nur ein Aufhalten, Monsieur.«
    »Und eine Operation?«
    »Einen Menschen ohne Leber gibt es nicht.«
    »Ja, das haben Sie mir schon einmal gesagt. Ich danke Ihnen, Professor.«
    An diesem Tag ging Callac den schwersten Gang seines Lebens. Er fuhr in die Rue Princesse, nahm als Schutz Fürst Globotkin mit und wagte sich in das alte Haus. Madame Coco, völlig verändert durch ihr jetzt schwarzes Haar und die verlorenen vierzig Pfund Gewicht durch eine Saftdiät, aber immer noch ein mit Stoff behängtes Gebirge, war dabei, Pierres Empfang vorzubereiten. Das ganze Haus roch nach Braten und Kuchen, in den Töpfen brutzelten und siedeten geheimnisvolle eßbare Dinge, die Fritteuse für die Pommes frites gluckerte auf dem Abstelltisch. Oben, in Pierres ›Zimmer in Gottes Hand‹ schmückten seine Freunde Wände und Decke, als sei seine Rückkehr eine Silvesterfeier. Daß man Pierre so früh wieder entließ, deuteten sie alle
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