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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sprach es so aus, als frage man nach einer abgesetzten Riesenkakerlake.
    Pierre de Sangries nickte, bückte sich, legte die Leinwandrahmen übereinander und band sie wieder mit einer Schnur zusammen. »Das war ein Fahrrad –«, sagte er. »Sie haben es richtig erkannt.«
    »Und man konnte wirklich auf ihm fahren?«
    »Mit etwas artistischer Begabung entpuppte es sich als ein wunderbares Fahrrad.« Pierre betrachtete wehmütig die Trümmer. Wie kann ein Fahrrad nach einem so leichten Zusammenprall bloß so gründlich zerfallen? Leicht? Mein Gott, das muß ein harter Zusammenstoß gewesen sein, und sie muß sich verletzt haben, es ist ausgeschlossen, daß sie nichts davongetragen hat, sie wird es später merken, vielleicht innere Verletzungen, sie wird Schmerzen haben, innere Blutungen, was ist, wenn ich sie mit der Lenkstange getroffen habe, wenn ihre Milz zerrissen ist, davon hört man doch immer, und das merkt man erst später. Sie … wer ist sie? Warum habe ich sie nicht festgehalten?
    »Aber dann brach es auseinander –«, sagte der Flic.
    »Wir müssen sie wiederfinden!« sagte Pierre heftig und hob den Lenker auf. »Hören Sie, wir müssen sie wiederfinden …«
    »Die Schraube, die Ihnen fehlt?« Der Polizist trommelte wieder gegen sein blankes Lederkoppel. Bestimmt waren seine morgendlichen Croissants nicht frisch genug gewesen. »Wissen Sie, Monsieur, daß es eigentlich ein Verbrechen gegenüber dem Pariser Verkehr ist, mit solch einem Vehikel noch zu fahren? Schaffen Sie den Müll beiseite, und zwar sofort! Machen Sie die Straße frei! Wollen Sie Erklärungen abgeben? Dann melden Sie sich auf dem Revier, Monsieur.« Der Flic musterte noch einmal die Trümmer und schüttelte den Kopf. »Oder hatten Sie etwa einen Unfall? Mit diesem Ding? War ein Auto hinter Ihnen, hat gehupt, und vor Schreck fiel alles auseinander …«
    »Sehr witzig.« Pierre hob die beiden Räder auf und stützte sich auf den grün lackierten Rahmen. Es war der neunzehnte Anstrich, und Kenner in Saint-Germain-des-Prés nannten Fifi nur den rollenden Farbtopf. »Wissen Sie, was ein Fahrrad wert ist, wenn man in einem halben Jahr nur ein Bild verkaufen kann?«
    »Ich kann es mir denken. Wäre es nicht einfacher, den Beruf zu wechseln?«
    »Und wer ist dann da, das zauberhafte Leuchten der Morgensonne über den Dächern von Paris zu malen?«
    »Räumen Sie die Straße –«, knurrte der Polizist, zögerte etwas, bückte sich dann und half Pierre, die Staffelei und die Malutensilien aus dem Rinnstein zu heben. Er half sogar, das Rad einige Meter weiter über die Champs Elysées zu schieben und lehnte es dort an einen der schönen gußeisernen Kandelaber.
    Paris.
    Man kann es aussprechen mit Honig auf der Zunge.
    Sie hat sich bestimmt irgendwo verletzt, dachte Pierre, als er wieder allein neben seinem Rad stand. Vielleicht ist sie jetzt schon irgendwo auf der Straße zusammengebrochen, eine Ambulanz kommt und fährt sie in ein Hospital. Dort wird ein Arzt sie untersuchen und betroffen fragen: »Mademoiselle, wie ist das passiert? Wann und wo? Warum hat sich niemand sofort um Sie gekümmert? Man hat Sie spät eingeliefert, sehr spät …« Zu spät würde er niemals sagen, und sie wird bereits zu schwach sein, diese Wahrheit in seinen Augen zu lesen.
    Pierre suchte in den Taschen seines Anzuges, holte eine zerknitterte Packung Zigaretten heraus und steckte sich mit zitternden Fingern eine an. Er schwitzte auch plötzlich, und es war nicht die Morgensonne, die ihm die Nässe auf die Stirn trieb. Fangen wir mit der Schuldfrage an, dachte er und sog an der zerknitterten Zigarette. Er inhalierte den Rauch, behielt ihn kurz in der Lunge und stieß ihn dann mit kleinen schnellen Stößen wieder aus. Aber diesesmal beruhigte ihn die Zigarette nicht – sie hinterließ nur ein aufreizendes Kratzen im Hals.
    Sie kam von links und rannte mir direkt ins Rad – so war's! Ich habe sie kommen sehen und habe noch gedacht: Mädchen, wo hast du deine Augen? Hallo, hier kommt Pierre! Bleib stehen, Blondchen! Aber nein – sie lief weiter, sie sah mich sogar an, ihr ganzes Gesicht war mir zugedreht, und ich habe noch gedacht: Das gibt's doch nicht, daß jemand weiterläuft und sieht, daß es gleich knallen wird … Ja, und dann die Klingel! Wer hat daran gedacht, daß eine Klingel, die nie benutzt wird, verrostet? Ich habe an dem Hebel gerissen … kein Ton, kein Ton … und dann die Rücktrittbremse! Fifi hat nie auf Rücktritt reagiert! Er ist da wie ein
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