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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eigensinniger Politiker. Es gab keine Rettung mehr – was kann man in zwei Sekunden denn schon tun?
    Pierre rauchte seine Zigarette zu Ende, dann packte er die Trümmer des Rades, schob sie weiter über die Champs Elysées, lehnte sie gegenüber dem Arc de Triomphe gegen das eiserne Gitter des unterirdischen Pissoirs und streichelte noch einmal über das dick mit Grünlack bemalte Gestänge.
    »Leb wohl, Fifi!« sagte er. »Ich bekomme es nicht übers Herz, dich als Alteisen zu verkaufen. Leb wie ein Clochard … irgend jemand wird schon für dich sorgen.«
    Er schob die Staffelei und die Leinwandrahmen unter die Achseln, wandte sich mit einem Seufzer ab und stieg hinunter in den Fußgängertunnel, der hinüberführte zum Arc de Triomphe. Der Morgenverkehr war voll im Fluß, um die Place de l'Etoile, die jetzt Place Charles de Gaulle hieß, schoben sich die Autos Stoßstange an Stoßstange vorwärts, um sich dann sternförmig in die Avenuen zu verteilen. Das Laub der Bäume hatte sich bereits verfärbt, der Farbenrausch des Herbstes war über Paris gekommen, von oben mußten die Avenuen und Boulevards aussehen wie Bänder aus verschiedenfarbigem Gold.
    Ein solches Bild einmal richtig malen, dachte Pierre. Mit den Augen eines van Gogh und der Hand eines Utrillo, mit dem Herzen eines Monet und der Eleganz eines Manet, oder von allem nur ein bißchen und die Hauptsache von Pierre de Sangries – dafür lohnt es sich, zu leben und zu hungern und ab heute zu Fuß zu gehen und glücklich zu sein.
    Paris.
    Das ist keine Stadt. Das ist ein Schicksal.
    *
    Man sollte wissen, wer Pierre de Sangries war.
    Das einzig Vornehme war sein Name. Er hatte ihn von seiner Mutter bekommen, die eine geborene Loretta de Sangries gewesen war und – wenn man Fotos trauen darf – eine sehr schöne Frau mit langen schwarzen Haaren. Loretta, in einem von Nonnen geleiteten Pensionat erzogen und dadurch von der realen Welt abgeschirmt, erlag eines Tages (nicht des Nachts, was erschwerend war!) dem Charme eines Mannes, dessen Namen sie nie kennenlernte. Er hieß Pierre, das war alles, was sie sagen konnte, als sie nach sechs Wochen Wartezeit zum Arzt ging – angeblich wegen einer Blinddarmreizung – und dort erfahren mußte, daß sie diesen Blinddarm in acht Monaten in einem Kinderwagen spazieren fahren könne.
    Der Familienrat, der sofort zusammentrat, beschloß zunächst, das Pensionat wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zu verklagen und verlangte beim Mutterhaus der Nonnen eine Strafversetzung der Oberin. Daß damit nicht viel erreicht war, sah jeder ein, und so begann man, systematisch in langen Verhören die schöne Loretta zu befragen, wie der Wüstling (man nannte den charmanten Mann wirklich Wüstling, was er in Lorettas Erinnerung durchaus nicht war) ausgesehen hatte, wie er sich kleidete, wo man sich getroffen habe, wie es geschehen konnte, wo die ruchlose Tat vollbracht worden war und wie das alles vor sich gegangen war. Letzteres mußte die Mutter fragen, weil sich der Vater zu solchen Fragen außerstande sah.
    Wahrheiten sind oft ernüchternd, so auch bei Loretta de Sangries. Sie gestand, Pierre bei einem Ausflug des Pensionats kennengelernt zu haben, und während nach dem Mittagessen die Mädchenklasse unter Vorsitz der Nonne Domina eine Ruhestunde einlegte, hatte sich Loretta neugierig weggeschlichen. Und bloße Neugier war es auch, was dann geschah, in einer sonnenwarmen, sandigen Mulde hinter dem Haus, dem L andcafé ›Saint Vincent‹. Es war eine Enttäuschung gewesen, Lo retta hatte sich das anders vorgestellt, und deshalb hatte sie auch nicht weiter gefragt, als sie auf ihre Frage: »Wie heißt du?« die knappe Antwort »Pierre« erhielt.
    Madame de Sangries verließ nach diesem Intimgespräch weinend den Salon, starrte ihren draußen wartenden Mann an und sagte mühsam: »Charles, wir haben eine bis ins Mark verdorbene Tochter!« Dann verfiel sie in ihre Migräne und schloß sich in ihrem Schlafzimmer ein.
    Loretta de Sangries wurde aus Paris entfernt, lebte in der Nähe von Dôle bei einem Onkel und gebar im Anblick der von der Sonne übergoldeten Maisfelder einen Sohn. Sie nannte ihn Pierre, weigerte sich auch dann noch, den Vater bekanntzugeben (man glaubte ihr einfach nicht, daß sie nur den Namen Pierre kannte, so verworfen kann ein Mädchen aus gutem Hause nicht sein), und so blieb nach dem Gesetz nichts anderes übrig, als das Kind nach der Mutter zu benennen: de Sangries. Die schockierte Familie bemühte sich
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